Interview Oskar Schlemmer und seine Zeit in Wuppertal

Am 3. November beginnt im Von der Heydt-Museum bereits die nächste große Ausstellung. Ein Vorgeschmack.

Holger Bär (l) und Andreas Iglhaut (r) beim Aufbau der Ausstellung, die natürlich auch Schlemmers Bild „Zwölfergruppe mit Interieur“ zeigt.

Foto: Schwartz, Anna (as)

Noch stehen Kisten auf dem Boden, werden Klebeschriften an die Wände gebracht, neue Werke ins Obergeschoss transportiert. Das schönste Bild aber, findet Beate Eickhoff, ist schon da: „Zwölfergruppe mit Interieur“ heißt es. Eines von acht Gemälden von Oskar Schlemmer, die im Besitz des Von der Heydt-Museums sind. Am 3. November beginnt die Ausstellung des großen Bauhauskünstlers, der die letzten Jahre seines Lebens in Wuppertal lebte und arbeitete. Im Gespräch erzählen die Kuratorin Eickhoff und die kommissarische Museumsleiterin Antje Birthälmer, was die Besucher erwartet.

Welche Bedeutung hat Oskar Schlemmer?

Beate Eickhoff: Er ist einer der bekanntesten und einflussreichsten Bauhauskünstler, wirkte von 1921 bis 1929 in Weimar und Dessau in den Bereichen Bühne, Tanz und Wandgestaltung. Es gibt aber auch die Zeit davor, als er an der Stuttgarter Akademie war und am Weltkrieg teilnahm. Und es gibt die Zeit danach, als er in Breslau, Berlin und am Ende in Wuppertal war, keine Professuren mehr hatte und Auftragsarbeiten annehmen musste. Durch seine Briefe und Tagebücher wissen wir viel über die damalige Kunstszene und die Querelen am Bauhaus.

Welche Idee verfolgt die Ausstellung?

Eickhoff: Wir haben, auch dank des Kunst- und Museumsvereins, ein großes Konvolut an Papierarbeiten von Schlemmer – Skizzen, Studien, Zeichnungen –, dazu acht Gemälde und zwei Plastiken, die einfach mal gezeigt werden sollen.
Antje Birthälmer: 1979 gab es bei uns eine Ausstellung „Schlemmer Baumeister Krause“. Aber in dem Umfang wie jetzt haben wir Schlemmer noch nie gezeigt.

Wie kam Schlemmer nach Wuppertal?

Eickhoff: Schlemmer und der Wuppertaler Architekt Heinz Rasch kannten sich aus ihrer Stuttgarter Zeit. Sie hatten sich über den Künstler Willi Baumeister kennengelernt. Rasch wiederum baute für den Wuppertaler Lackfabrikanten Herberts Fabrikgebäude, bemühte sich um Kunsteinkäufe für ihn und verantwortete einen Werbekalender, der Bilder von Künstlern zeigte, die mit Anstrichen zu tun hatten. Schlemmer machte ja ebenfalls viele Anstriche, hatte Ahnung, wie Lackfarbe bei Wandarbeiten verwendet werden kann. So war er mehrmals in Wuppertal, bevor man ihn 1940 permanent holte. Er bekam eine Wohnung am Döppersberg und eine Anstellung im Lacktechnikum.
Birthälmer: Damals malte er seine Stadtansichten, wie er sie von seinem Fenster aus sah. Seine Fensterbilder werden auch in der Ausstellung gezeigt. Er malte sie, als er allein in Wuppertal war und das alltägliche Familienleben beobachtete, das sich in den Wohnungen hinter den Fenstern trotz des Krieges abspielte.

Was sehen die Besucher in der Ausstellung?

Eickhoff: Wir zeigen die Zeichnungen, die er in Wuppertal erstellte, im Kontext seiner eigenen früheren Arbeiten und der Arbeiten von Künstlern, mit denen er sich beschäftigte. Schlemmers Kunst hatte eine freie und eine angewandte Seite. Zu letzterer zeigen wir Entwürfe zu Lackdosen und -schränken, zu Wandmalereien, und -arbeiten. Daran wird deutlich, wie konzeptionell er arbeitete. Wir thematisieren das Lackballett, das er für eine Jubiläumsfeier der Firma Herberts schuf. Die Kostüme existieren nicht mehr, aber es gibt Skizzen, Fotoreproduktionen und Augenzeugenberichte davon. Sein Lackkabinett zeigen wir als begehbare Rekonstruktion, die der Düsseldorfer Kunstverein 1987 baute, und in Zeichnungen. Schlemmer hat es 1941 begonnen, es wurde aber mangels Geld nicht realisiert. Es sollte ein Musterraum sein, der die Möglichkeiten moderner Lackmalerei präsentierte.

Wie ist die Ausstellung aufgebaut?

Eickhoff: Chronologisch. Und einige Räume widmen sich Themen – dem Lackballett, den Zeichnungen seiner Projekte, dem Lackkabinett.

Wieso folgen mit Else Lasker-Schüler und Oskar Schlemmer zwei große Ausstellungen so kurz aufeinander im Haus?

Birthälmer: Ursprünglich war nur die Else Lasker-Schüler-Ausstellung geplant, die aber erst noch finanziert werden musste. Also setzte der damalige Direktor Finckh Schlemmer an. Außerdem sind Herbst und Winter die besucherstärkste Zeit für das Museum, 2019 ist Bauhaus-Jahr und es gibt viele Bezüge zwischen den Künstlern Lasker-Schüler und Schlemmer, die zur selben Zeit in der Avantgarde wirkten.

Was schätzen Sie an Schlemmers Zeichnungen?

Birthälmer: Er hat in einer Krisenzeit ruhige, fast meditative Bilder geschaffen. Das finde ich sehr beeindruckend.
Woher kommen die Leihgaben?

Eickhoff: Wir haben punktuell Werke aus den einzelnen Entwicklungsstadien gesucht, was im Bauhausjahr natürlich schwierig ist. Aus Duisburg und Winterthur kommen zwei große Bilder, das Kunstmuseum Stuttgart und die Kunstsammlung NRW helfen uns, fast alle Museen steuern Einzelwerke bei. Das Schönste, „Zwölfergruppe mit Interieur“, besitzen wir aber selbst.

Wie lange wurde die Schau vorbereitet?

Eickhoff: Seit Anfang 2019, ich konnte zum Glück auf der Vorarbeit einer Kollegin aufbauen, die eine Bestandsaufnahme in unserem Haus vorgenommen hatte. Es ist noch viel Forschungsarbeit nötig, ich würde zum Beispiel gerne mal eine Ausstellung zum Kreis um Herberts machen.