Theater „Jeder kann es gewesen sein“

Krimikomödie im Taltontheater: Zuschauer entscheiden, wer der Mörder sein soll.

Da sind noch alle lebendig: (v.l.) Mortimer, Brinton, Jocelyn, Amy, Norris und Wendy.

Foto: ja/Joachim Schmitz

Mörderische Fragespiele gibt es schon lange, so lange wie es Krimis gibt, eine feste Größe in der Literatur. „Whodunits“ beschäftigen sich vor allem mit der Tätersuche in einer übersichtlichen Umgebung, nicht selten in einem englischen Landsitz. Sie begeistern auch heute immer wieder aufs neue. Im Fernsehen wie auf der Bühne. Das Taltontheater bringt mit „Jeder kann es gewesen sein“ Alan Ayckbourns 1983 geschriebene Version und liebevolle Hommage ans Genre auf die Bühne. Am Rätselspaß ist das Publikum beteiligt, das außerdem den Mörder selbst bestimmen darf, so dass jede Aufführung anders ausgehen kann. Am Wochenende war Premiere.

Der Butler ist der Erzähler. Regisseur Jens Kalkhorst schlüpft in die Rolle, führt fast regungslos durchs unwürdige Geschehen. Das findet im heruntergekommenen Landhaus derer von Chalkes statt, das von den Geschwistern Mortimer, Jocelyn und Brinton, alle drei erfolglose Künstler, nebst Anhang (Lebenspartner Norris und Tochter Amy) bewohnt wird. In ihr trostloses Leben kommt Spannung, als Komponist Mortimer, dem die Mutter einst das Anwesen vermachte, verkündet, er wolle dieses seiner ehemaligen Klavierschülerin Wendy vermachen. Die Aufkündigung des bequemen wie gelangweilten Lebens führt zu Mordgelüsten. Wendys Ankunft wird von missglückenden Anschlägen begleitet, ermordet wird hingegen Mortimer. Das aber stilecht bei Donnergroll, Sturm und Lichtausfall.

Den Schwächen der
Menschen auf der Spur

Dieser Fall ist eine Komödie und ein Spiel. Ein Fall, der immer wieder anders gelöst wird. Das bringt Spannung ins ansonsten überschaubare wie verstaubte Szenario, das sich vor der Treppe zwischen alten Sesseln auf der einen und dem Klavier auf der anderen Seite der Bühne abspielt. Fenster, Buchregal und herrschaftliche Löwenskulpturen sind aufgemalt. Die Zuschauer dürfen zwischen dem herrlich verklemmten wie im Leben zu kurz gekommenen Maler Brinton (David Meister), der wunderbar aufgesetzt fröhlichen und bemühten Autorin Jocelyn (Tabea Schiefer) und der pummeligen, schwer durchschaubaren Amy (Stina Schnickmann) wählen. Das reduziert den potenziellen Täterkreis, aber dem mittlerweile 80-jährige Ayckbourn geht es nicht um die Entlarvung des einen genialen Bösen durch den einen genialen Detektiv (der in diesem Fall ebenso eifrig wie ungeeignet ist). Der Großmeister der modernen englischen Gesellschaftskomödie bringt ganz normale Menschen auf die Bühne, enthüllt deren Schwächen liebevoll. Jeder kann es gewesen und keiner kann sicher sein, dass der Mörder wirklich enttarnt wurde. Das Spiel geht weiter.

» Termine: 25. und 27. Oktober, 9. und 10. November, 4., 5., 10. und 11. Januar; Taltontheater, Wiesenstraße 118.