Kultur Wenn Mensch und Raum eins werden
„Schnappschuss“ im Skulpturenpark: Schauspielensemble und Bauhaus-Jubiläum.
„Schnappschuss“ kann auch ernst: Das Trash-Format des Wuppertaler Schauspiels ist in seine dritte Saison gestartet, gewohnt forsch und anspruchsvoll. Dass die Spontaneität diesmal fehlte, war wohl dem Thema „Hundert Jahre Bauhaus“ geschuldet. Verstärkt um fünf Musiker aus dem Sinfonieorchester waren vier Schauspieler in den Skulpturenpark Waldfrieden gezogen – einen Ort, der Kunst, Baukultur und Natur auf ideale Weise vereint. Das Gedankengut lieferte Bauhauskünstler Oskar Schlemmer.
Wer am Donnerstagnachmittag den Park besuchte, konnte in der oberen Glashalle nicht nur Tony Craggs Plastiken bewundern, sondern einer Performance beiwohnen, die sich Schlemmer widmete. Das Schaffen des vielseitigen Künstlers (1888 bis 1943) kreiste stets um den Menschen. Seine Auffassungen schrieb er 1925, als er noch am Bauhaus in Dessau lehrte, in seinem grundlegenden Artikel „Mensch und Kunstfigur“ nieder. Seine Idee von der Kunstfigur als Abstraktion seines Menschenbildes ging vor allem der Frage nach der Position des Menschen im (Bühnen-)Raum nach und wie beide zu einer Einheit werden können. Ganz im Sinne des Bauhaus-Einheitsgedankens von Kunst und Handwerk.
Im Wechsel lasen Thomas Braus, Julia Meier, Martin Petschan und Konstantin Rickert vom Schauspielensemble einzelne Textpassagen aus dem Artikel vor. Dabei verwandelten sie sich allmählich in gesichtslose, unförmige und bewegungsunfähige Kunstwesen. In weiße Schutzanzüge gekleidet, beklebten sie einander mit Gipsbahnen, schoben Gegenstände zu Buckeln unter die dünne Kleidungshaut, ihre Köpfe verschwanden schließlich unter den Schutzkapuzen. Sie wurden eins mit der Kunst. Im Kontrast dazu entfernte sich Konstantin Rickert, entkleidete sich auf dem Rasen neben der gläsernen Halle, wurde eins mit der Natur.
Ein Lackballettchen, das
dem Fabrikanten gefiel
1940 war Oskar Schlemmer nach Wuppertal gekommen, wo er im Arbeitskreis des Lackfabrikanten Dr. Knut Herberts die künstlerische Verwendung von Lackfarben erproben sollte. Auszüge aus Briefen brachten am Donnerstag den Menschen näher, der in der Stadt ein „Lackballettchen“ geschaffen hatte. Anlässlich des 75. Betriebsjubliäums des Unternehmens war es im Dezember 1941 im Barmer Theater (heute das Opernhaus) von der betriebseigenen Gymnastikgruppe aufgeführt worden. „Ein drei Minuten Tänzchen mit sechs Damen, die es recht und schlecht machten“, schrieb Schlemmer damals. Der Reigen habe aber Dr. Herberts sehr gefallen, nur der einfache Mensch frage sich, was das soll.
„Es war die Bassnachtigall und nicht die Lerche“ war der „Schnappschuss“ überschrieben. Gregor Plettner (Kontrafagott) spielte das Stück „Bassnachtigall“ von Erwin Schulhoff (1894 bis 1942). Liviu Neagu-Gruber (Violine), Axel Heß (Violine), Jens Brockmann (Viola), Hyeonwoo Park (Violoncello) trugen weitere Stücke des deutschböhmischen, in Vergessenheit geratenen Komponisten vor. Dabei hatte er als einer der ersten Jazzelemente in seinen klassischen Stücken integriert. Seine Musik passte wunderbar zum Thema der Performance und ist eine Wiederentdeckung wert.