Der Vetter aus Dingsda: Elena Fink zeigt Gefühle

Die Sängerin hat auf der Bühne Liebeskummer – und erklärt, warum die „leichte Muse“ nicht immer wirklich leicht ist.

Wuppertal. Elena Fink verrät es lachend, auch wenn das gefühlvolle Bekenntnis durchaus ernst gemeint ist: "Ich habe bei den Proben das ein oder andere Tränchen verdrückt." Männer können einer Frau das Leben ja auch reichlich schwer machen - selbst wenn der Liebeskummer nur gespielt ist. So erlebt die Opernsängerin eine Zeit zwischen Hoffen und Bangen, wenn "Der Vetter aus Dingsda" ins Opernhaus lockt: Sie träumt, sie liebt, sie lacht, sie weint.

Fink freut sich auf die Rolle, in der sie jetzt auch in Wuppertal zu sehen ist: Als Julia de Weerth feierte sie im Mai Premiere in Solingen. Auch in Remscheid war die Produktion der Wuppertaler Bühnen bereits zu sehen. Nun kommt "Der Vetter aus Dingsda" nach Barmen: Robin Telfer setzt Eduard Künnekes Dreiakter in Szene. Morgen geht der heitere Liebesreigen erstmals im Opernhaus über die Bühne.

Dass Künstler von ihrer Rolle schwärmen, ist nicht ungewöhnlich. In Finks Fall klingt es allerdings nach besonders viel Herzblut. "Die Rolle hat ihren Reiz - weil sie sich entwickelt", erklärt die beliebte Sängerin. "Anfangs ist Julia ein kleines, naives, behütetes Prinzesschen, das sieben Jahre lang auf die Rückkehr ihrer Jugendliebe wartet und sich dabei in einer Traumwelt verliert. Erst als sie der Realität in die Augen schauen muss, wird sie erwachsen." Ein schmerzhafter Akt - auch für die Opernsängerin, die mit ihrer Figur mitfiebert: "Julia tut mir richtig leid."

Nun wäre die Wuppertalerin (Foto: Archiv) jedoch keine routinierte Sängerin, wenn sie nicht die richtige Balance zwischen Einfühlung und Distanz fände. So sei Julias Entwicklung nicht zuletzt ein Gradmesser für die Qualität und den Tiefgang der Geschichte: "Der ,Vetter’ ist härter als andere Operetten", betont die Sopranistin. "Es gibt nicht einfach nur ein Verwechslungsspiel und ein sanftes Happy End."

Fink ist optimistisch genug, selbst Skeptiker, die beim Stichwort Operette pessimistisch abwinken, überzeugen zu können. Denn allen, die rasant die Nase rümpfen, wenn sie an schnelle Musik-Nummern, muntere Verwirrspiele und eingängige Melodien denken, versichert die Expertin: Was leicht wirke, sei längst nicht immer auch leicht auf die Bühne zu bringen. Im Gegenteil. "Man muss eine Operette ernst nehmen - sonst wird sie schnell platt." Zumal "Der Vetter aus Dingsda" mit durchaus anspruchsvoller Musik, vor allem auch mit vielen Melodramen aufwarte.

Deshalb hat es die vermeintlich leichte Muse auch in sich: "Bei den Melodramen soll es so klingen, als ob ich ,normal’ spreche, dabei muss ich die Sätze exakt im Takt der Musik vortragen. Das zu timen, ist nicht so ohne", erklärt die Sopranistin, die damit auch gleich die Frage beantwortet, ob sie vor der Wuppertaler Premiere, die nach den Aufführungen in Remscheid und Solingen ja eigentlich eine Wiederaufnahme ist, überhaupt noch aufgeregt sei.

Denn Routine kann gar nicht erst aufkommen - nicht nur, weil nach den Bergischen Symphonikern nun, beim Heimspiel, das Wuppertaler Sinfonieorchester zum Einsatz kommt. Die gemeinsamen Proben bieten dem Wuppertaler Opern-Ensemble die Chance, an Feinheiten wie den Melodramen - dem Zusammenspiel von Musik und gesprochenem Wort - zu feilen.

"Man merkt, dass es sich gesetzt hat", resümiert Fink. "Den großen Bogen hat man. Andererseits kann man nun nochmal an Details arbeiten."

Das Wuppertaler Publikum dürfte davon profitieren. Zumal auch Dramaturg Johannes Blum schwärmt: "Das ist keine Operette vom Fließband."

Viel Wasser auf der Bühne, eine wechselhafte Atmosphäre durch Lichtreflexe und "ein fettes Orchester" erwartet die Gäste, die sich auch auf schwungvolle Schrittfolgen freuen können, wie Blum betont: "Eduard Künneke hat viele Tänze eingebaut, die damals gerade aus Amerika nach Europa schwappten." Tango, Paso Doble und Foxtrott in einer Operette - das sei 1921, bei der Uraufführung in Berlin, ein gewaltiger Schritt in eine neue Richtung gewesen.

Ob Elena Fink eine Lieblingsszene hat? Da muss nicht lange überlegen. ",Ja, den ,strahlenden Mond’!" Die versonnene Arie singt sie im ersten Teil - wenn Julia sehnsuchtsvoll zum Mond schaut, weil sie der festen Überzeugung ist, dass ihre Jugendliebe in der Ferne dasselbe macht. "Im ersten Teil habe ich ganz allgemein viel zu singen, im zweiten ist Julia dann eher der Spielball der anderen." Und wieder sagt sie es mit einem charmanten Lächeln, das den Ernst der (Liebes-)Lage nicht verdecken soll. Ob die Premieren-Gäste darüber am Ende "nur" lachen oder auch eine Träne verdrücken, zeigt sich morgen ab 18 Uhr im Opernhaus.