Die Mischung macht’s: Ein Fest für aufgeweckte Tänzer
Der Gala-Abend war ein Höhepunkt des Tanzfestivals von Pina Bausch.
Wuppertal. "Schlafen Sie vor": Der Rat von Pina Bausch war gut gemeint. Seit einer Woche sorgt die künstlerische Leiterin des Internationalen Tanzfestivals NRW dafür, dass in Wuppertal, Düsseldorf und Essen niemand aus der Reihe tanzt. Bei 900 Künstlern aus aller Welt ist das eine Aufgabe, die anderen den Schlaf rauben könnte.
Nur eine wirkt so, als könne die Last der Verantwortung, die ein dreiwöchiger Festival-Marathon mit sich bringt, keine äußeren Spuren hinterlassen - außer einem glücklichen Lächeln. Pina Bausch ist sichtlich zufrieden. Am späten Donnerstagabend scheinen die Uhrzeit und alle Anstrengungen im Schauspielhaus vergessen zu sein.
Nach dem euphorischen Schlussapplaus verteilt die Tanz-Ikone Blumen und Küsschen, zieht sich bescheiden an den Bühnenrand zurück - und muss von den Beschenkten sachte zurück ins Rampenlicht gezogen werden.
Denn eigentlich stehen an diesem Tag andere im Mittelpunkt. Und wer tatsächlich vorgeschlafen hat, kann ihn umso wachsamer genießen: Der fast vierstündige "Very-Special"-Abend ist ein Höhepunkt im Wuppertaler Festreigen. Flamenco, Tap Dance, klassische Bewegungen und ein poetisches Heimspiel: Mehr Vielfalt geht kaum.
Die Gala lebt von bewegenden Kontrasten, die sich keinesfalls gegenseitig ihrer Wirkung berauben, sondern sind wohl gesetzt. Viele Köche verderben hier nicht den Brei, son- dern kreieren ein Menü, bei dem jeder Gang ein Genuss ist. Serviert werden Häppchen, die für sich stehen, im Nacheinander aber auch beweisen, dass die Leichtigkeit des Tanzes viele Facetten hat, in Sevilla und New York genauso zu Hause ist wie in London und Wuppertal.
Eva Yerbabuena zeigt, was Avantgarde im Flamenco heißt. Wenn sie auf der dunklen Bühne eine Glühbirne anknipst und Sänger Miguel Poveda León in erhellenden Momenten mit Verve umkreist, liegt Spanien plötzlich im Bergischen Land - verdrängt wird es allerdings von der New Yorker Heiterkeit.
Denn die Rastalocken von Savion Glover wippen im Jazz-Takt. Egal, ob er die mit Metallplatten besohlten Schuhe energisch fordernd oder mit betonter Langsamkeit aufschlägt: Immer hat der Tap Dancer ein beseeltes Lächeln auf den Lippen - als ob die körperliche Höchstleistung nur ein Spaziergang ist.
Mal marschiert er wie ein Zinnsoldat, mal tritt er auf wie ein galoppierendes Pferd, dann wieder tänzelt er leichtfüßig und mit Hüftschwung. Genauso gerne sucht er den Dialog mit Bass, Klavier und Schlagzeug. Die hitzige Show lässt keinen kalt: Das Publikum geht begeistert mit - und feiert die deutsche Erstaufführung von "The Otherz" mit Ovationen.
Die gibt es (natürlich) auch für "prima ballerina assoluta" Sylvie Guillem, die mit Russell Maliphant im Duett "Push kommuniziert, und das Wuppertaler Tanztheater, das - quasi zum Dessert - "Memories" reicht. Spätestens die Collage mit Szenen aus Pina-Bausch-Stücken zaubert auch ein Lächeln auf den letzten Zuschauer.
Viele von ihnen sind übrigens aufgeweckt genug, um zu wissen, dass es für Nimmersatte einen Nachschlag gibt: Nach den Festival-Veranstaltungen feiern die Tänzer im Café Ada weiter. Denn Schlaf kann man nachholen - am besten erst nach dem 30. November.