Schauspiel Dieser Kleist ist bunt, ernst, aktuell
Das Wuppertaler Schauspiel beginnt die neue Spielzeit mit Kleists „Der zerbrochene Krug“.
Ein Klassiker soll es sein und eine Komödie, die zeitgenössischen Bezug und einen ernsten Kern hat. Ein Stück, das zudem schon länger nicht mehr in Wuppertal gespielt wurde. Der moderne Bezug drängte sich in Zeiten von „#MeToo“,„alternativen Fakten“ und „fake news“ geradezu auf. Schauspielintendant Thomas Braus erklärt, wie er darauf kam, Heinrich von Kleists „Zerbrochenen Krug“ aufzuführen. Am 7. September wird der Einakter nicht nur die erste Schauspiel-Premiere der Spielzeit 2018/19 sein, sondern auch das Eröffnungsstück der Wuppertaler Bühnen.
Am Anfang stand ein Flop: Johann Wolfgang von Goethe inszenierte 1808 in Weimar die Premiere des Kleist’schen Lustspiels um den Dorfrichter Adam, der in der Nacht die junge Eva „verführt“ und bei der Flucht nicht nur seine Perücke verliert, sondern auch den Krug von Marthe Rull zerbricht, um danach über sich selbst zu Gericht zu sitzen. Der Regisseur langweilte das Publikum und verärgerte den Autoren. „Erst Mitte des 19. Jahrhunderts wurde die Komödie wieder entdeckt und trat ihren Siegeszug an“, erzählt Dramaturgin Barbara Noth.
Die Wuppertaler wollen ihren eigenen Weg gehen und sich zugleich eng ans Original halten. Auch bei der stilisierten, gereimten Sprache mit ihrem Wortwitz. Regisseur Marcus Lobbes: “Der geniale Text bleibt, wie er ist. Das geht bei Kleist auch gar nicht anders.“ Gestrichen werden nur für die Handlung unwichtige Dinge wie etwa die Ansiedlung der Geschichte in einem holländischen Dorf. Bei der spannenden Geschichte um einen Menschen, der sich selbst erkennen und richten muss, gehe es auch um die Kommunikation der Menschen überhaupt, um die Frage nach Wahrheit und Vertrauen. Der rote Faden durch das Stück wie auch durch die Welt des US-Präsidenten Donald Trump. Umso wichtiger ist da Evas Aussage, die am Ende ihr Schweigen bricht und erzählt, was ihr wirklich zugestoßen ist. Braus: „Die Geschichte der Eva ist durch die #metoo-Debatte sehr aktuell. Die Debatte wird und muss, gerade im Theater, geführt werden.“
Das erste Bühnenbild des Intendanten Braus zu Beginn der Spielzeit 17/18 war leer (William Shakespeares „Der Sturm“), füllte sich erst während des Spiels. Diesmal wird die große Bühne von Anfang an voll ausgenutzt, in verschiedene Bereiche unterteilt, entsprechend der Lokaltermine — vom Jungmädchenzimmer bis zum Dorfmarktplatz. „Das Bühnenbild wird groß, bunt, aufwendig“, verspricht Lobbes. Heißt auch: Das Stück spielt nicht - wie sonst üblich - allein im Gerichtssaal. Und wenn man schon die Orte der Taten besucht, wird auch das Publikum einbezogen. Lobbes: „Es ist Zuschauer der Lokaltermine.“ Ob es auch abstimmen wird wie bei Ferdinand von Schirachs Publikumsrenner „Terror“, ist noch offen. Wie vieles andere auch. Lobbes: „Wir proben erst seit zweieinhalb Wochen. Ich weiß, wohin ich will, nicht genau wie es werden wird.“
Sicher dagegen ist, dass Bühnenbild und Kostüme keiner Zeit zugeordnet werden, im besten Falle zeitlos sind. Sich aus den Orten und den durchaus klischeebehafteten Figuren ergeben. Braus: „Wir wollen die Kleistsche Komödie erzählen und dabei zum Ernst vordringen.“ Die sieben Akteure, darunter Gastschauspieler Jonas Gruber, dürfen also ihr komödiantisches Talent beweisen - mitten drin Braus selbst als Richter Adam natürlich, mit “seiner Körperfülle und Akrobatik“, schmunzelt Lobbes.