Ein Sinfoniker zwischen zwei Welten
Matthias Neumann studiert jetzt Kunst-Fotografie und stellt in Essen aus.
Wuppertal. "Die guten Künstler sind alle sehr reflektiert", sagt Matthias Neumann und beschäftigt sich intensiv mit den Werken alter und neuer Maler. Womit der Zwiespalt anfängt, denn der 49-Jährige teilt sich zwischen der Musik und der Fotografie, und der sechsjährige Sohn verlangt ebenfalls Aufmerksamkeit.
Eigentlich ist Neumann seit 1991 als Bratscher im Wuppertaler Sinfonieorchester. Wobei er sich auch für dieses Instrument erst spät entschied. Mit zwölf Jahren begann er, Geige zu spielen, studierte anschließend in Berlin.
Erst als er nach dem Studium ein halbes Jahr bei den Düsseldorfer Sinfonikern in der 1. Geige aushalf, entdeckte er seine Liebe zur Bratsche. "Das ist ein total schönes Instrument, das den Klang des Orchesters bestimmt." Also hängte er noch ein Bratschen-Studium an. Damals ging das noch unkompliziert. "Das waren chaotische Jahre an der Berliner Musikhochschule."
Der Zufall verschaffte dem Musiker die Stelle in Wuppertal. "Vorher kannte ich die Stadt nur vom Einkaufen", erinnert sich der in Berg Neustadt Aufgewachsene. Seit Toshiyuki Kamioka die Sinfoniker leitet, sei das Arbeiten ein Vergnügen, schwärmt Neumann: "Bei Kamioka kann man nicht halb spielen, er fordert das Orchester - das ist schön." Auch die gute Zusammenarbeit zwischen Management und Orchester sei bemerkenswert.
Mit der Orchestertätigkeit hatte Neumann wieder Zeit für sein altes Hobby, die Fotografie. "Als ich in Wuppertal anfing, ist es wieder ausgebrochen." Er kaufte sich einen neuen Fotoapparat, richtete sich ein umfangreiches Labor ein und nahm Privatunterricht bei Fotografen und Malern. "Meine Anregungen kamen immer aus der Malerei."
Dazu entwickelte er fotografisch seine eigenen Techniken. Das Ergebnis sind verfremdete Fotografien, meist von Landschaften, die sehr abstrakt wirken. Um sich im Austausch mit anderen Künstlern weiterzuentwickeln, nahm er 2005 ein Gaststudium an der Fachhochschule Bielefeld bei Katharina Bosse auf. "Man erkennt dadurch seine Schwächen und Stärken."
Im April vergangenen Jahres schließlich entschied er sich für ein Master-Studium dort und fährt seitdem zwei Tage pro Woche nach Bielefeld. Seine Bratschen-Stelle hat er auf eine halbe reduziert, vorerst befristet auf drei Jahre. "Das Orchester und Kamioka unterstützen mich sehr", lobt er. In den Semesterferien absolviert er besonders viele Dienste, während des Studiums dann entsprechend weniger. "Ich übe aber eher mehr als vorher, sonst macht das Spielen auch keinen Spaß."
Ab Mitte Januar präsentiert Neumann seine Bilder wieder öffentlich. Im Kunstraum Notkirche in Essen zeigt er seine Werke zusammen mit Malerin Geli S. "Sie ist meine schärfste Kritikerin und mein Motor, um weiterzukommen", sagt er über die befreundete Künstlerin. Erstmals haben die beiden nun gemeinsam Bilder gestaltet. Nystagmo-Fotografie nennt Neumann seine Technik, bei der sich "Rhythmus und Struktur zu einem meditativen Raum vereinigen".