Kolumne Jetzt erst recht: Perspektiven und Visionen

Uta Atzpodien wünscht sich für Wuppertal mehr innovative Ansätze.

Uta Atzpodien vom Freien Netzwerk Kultur.

Foto: Ralf Silberkuhl

Einer Mühle gleicht sie, die sich dreht und dreht. Und wir mittendrin. Allseits präsent stranden hier die Gespräche. Durchgehend beschäftigen uns die Auswirkungen und Herausforderungen, die sie so mit sich bringt, die uns alle bedrohende Corona-Pandemie. Immer noch, immer neu, nach über einem Jahr. Wer hätte sich das vorstellen können? Einem Film hätten wir ein solches Science-Fiction-Szenario abgenommen, aber unserem eigenen Leben, unserem Alltag? Müde und erschöpft davon sind viele. Burnout-Wellen kündigen sich an. Konkret bleiben die Heranwachsenden diese Woche wieder oder noch zu Hause, anstatt die Welt zu erkunden, wie sonst üblich in dem Alter. Und gerade die, die kulturell und sprachlich die alltäglichen Begegnungen so sehr brauchen, um hier Zugehörigkeit und Heimat zu finden, bleiben auf der Strecke. Der Frühling naht und die keimende Hoffnung auf analoge Begegnungen, gar auf gemeinsame Kunst- und Kulturerfahrungen, rückt erneut in die Ferne. So ist es, und das kann extrem zermürbend sein.

Und doch: Jetzt erst recht! Vor fast zwei Jahren hieß es in einem Positionspapier von etlichen Akteurinnen und Institutionen der freien Szene, vor dem Ratsentscheid im Dezember 2019: „Jetzt erst recht: Ja zum Pina Bausch Zentrum!“ Ein Ja für das Haltungzeigen gilt immer noch, und zwar viel weiter und umfassender als zuvor! Jetzt erst recht sind Perspektiven gefragt und Visionen! Und das nicht nur für das Pina Bausch Zentrum, sondern für unsere ganze (Stadt-)Gesellschaft. Wohin geht unsere Reise eigentlich? Wie wollen wir leben? Wollen wir wirklich weitermachen wie davor?

Emsiger denn je gleicht die Kunst-, Kultur- und Stadtszene einem effektiv agierenden Ameisenhaufen: Eintopf, Kulturrat, Freies Netzwerk Kultur, Kulturelle Bildung, Tanzszene, Pina Bausch Zentrum, Tag des Guten Lebens sind nur einige Anlässe pulsierender digitaler Treffen. Viele davon beflügelt erfrischend lebendig ein erweiterter Kulturbegriff. Beuys-Jahr hin oder her. Hier geht es weniger um Mythos, sondern darum, an prägnante Ideen anzuknüpfen, die bekannte Künstlerinnen und Künstler schon vielseitig in die Gesellschaft getragen haben.

Das aktuell fehlende öffentliche Ausleben zeigt uns umso deutlicher das unglaubliche Potenzial, das in Kunst und Kultur steckt, sei es in einem Buch, im Film, Bild, Theater, Tanz oder auch Urban Gardening. Im jüngsten Gespräch des WDR 3-Forums zu „Kultur in den Jahren nach der Pandemie“ hieß es, die drei „I“s (Identifikation, Interkultur, Inklusion) wie auch Digitalisierung und vor allem Nachhaltigkeit sind schon so lange als zentrale Themen bekannt. Neu ist das nicht. Warum hat sich noch nicht mehr getan? Was braucht es?

Mut, Freiheit, handelnde Persönlichkeiten, so erinnere ich mich, erwähnten die Podiumsdiskutierenden, Spiel- und Experimentierräume und innovative Strukturen in Organisationen und Verwaltungen, die genau dies möglich machen. Jasmin Vogel beispielsweise vom Kulturforum in Witten ist hier mit spannenden Formaten und einem zukunftsweisenden „Cultural Leadership“ unterwegs. Für Wuppertal wünsche ich mir noch mehr Perspektiven und Visionen in Form von strukturell und fachlich innovativen Ansätzen, sei es für das Pina Bausch Zentrum, die Stadt- und Kulturverwaltung, konkret für Kulturelle Bildung und gerne im Austausch mit Städten wie Witten, Bonn, Herne oder anderen. Übrigens vice versa, auch wir inspirieren: Andere Orte und Akteuren nehmen Wuppertal als pulsierende, mutige und freiheitlich eigensinnige Bottom-Up-Stadt wahr.