Kolumne Gemeinsame Haltung, konkretes Handeln

Uta Atzpodien vom Freien Netzwerk Kultur über die Klimastreiks.

Uta Atzpodien.

Foto: Ralf Silberkuhl

Am letzten Freitag faszinierte mich die Menschenmenge, mit der ich vom Döppersberg Richtung Barmen zog, ein Vorgeschmack davon, was Menschen gemeinsam erreichen können. 5000 waren es. So bedrohlich der Anlass Umweltkatastrophe, so beflügelnd die Stimmung, voller Begeisterung, lustvoll, kreativ, fordernd, begleitet von musikalischen Klängen, Liedern und bunten Schildern.  Mexikostadt, Istanbul, Stockholm, Malawi, Granada, New York City: Weltweit fanden sich Menschen zum größten Klimastreik aller Zeiten zusammen. In Deutschland waren 1,4 Millionen auf den Straßen. Die umwerfende gemeinsame Haltung müsste wachrütteln und steht doch in Schieflage zum konkreten Handeln der Politik. Zeitgleich wurde in Berlin ein Klimapaket ausgehandelt, mit dem die Klimaziele für 2030 bei weitem nicht erreicht werden können. Der Mut fehlt. Die notwendig radikalen Maßnahmen. Politiker wirken mehr als sonst schon unglaubwürdig, sind schlicht inkompetent angesichts der offensichtlichen und wissenschaftlich klar kommunizierten Ausmaße des Klimawandels. Eine Schere im Kopf, eine Schere im Herzen?

          Global-lokal: Seit 2005 gibt es den Parking Day, den internationalen Aktionstag zur Reurbanisierung von Innenstädten, der üblicherweise am dritten Freitag im September stattfindet. Parkplätze werden zu kreativen Begegnungsorten umfunktioniert, um spielerisch zu zeigen, wie dieser Platz für Menschen genutzt werden kann, statt für die immer noch so verehrten CO2-ausstoßenden und viel Platz einnehmenden Metallkarosserien. In Wuppertal hatte die Stadtverwaltung vorsorglich den Parking Day auf Samstag auf den Ölberg verlegt, gut gemeint, pittoresk, dafür Plätze ordnungsgemäß reserviert. Vielen war das nicht genug: Sie wollten die friedliche-kreative Umwandlung am eigentlichen Tag, am Freitag und mitten im Verkehr, kauften Parktickets beim Elberfelder Kasinokreisel, stellten Räder ab, bemalten Flächen, begleitet von musikalischen Klängen professioneller Streicher. Die Polizei erschien, erkannte lediglich eine ordnungswidrige Versammlung, erteilte Platzverweise und räumte rabiat geparkte Räder weg. Etwas peinlich für die Stadt. So können Logiken aufeinanderprallen. Der eigentliche Sinn des Parking Days ging verloren. Die benachbarte, singende Straßenblockade von „Extinction Rebellion Wuppertal“ war gewaltfrei erfolgreicher. Es lohnt sich, ihre Werte näher zu betrachten. Um mit gemeinsamer Haltung zukunftsweisend und konkret zu handeln, sind offensichtlich von allen Seiten mehr Dialoge gefragt. Wie können sie aussehen?

          Ein kurzer Seitenblick: Zum 20-jährigen Jubiläum der Bandfabrik in Langerfeld kamen am Samstagabend mit „Kunst gegen Rechts?“ Politik und Kunst zusammen. Greifbar wurde, wie sehr (künstlerische) Aktionen Verständigung unterstützen können, ob via Zusammenschlüsse, wie „Die Vielen“, via Kunstlotsen oder mit dem Polieren von Stolpersteinen, das weiter zum Mitmachen einlädt. Persönliches Engagement und Geschichten weisen hier Wege. Das einander Zuhören nehme ich als Grundpuls mit. Warum ist das deutsche Klimapaket so unbefriedigend? In Sachen Umwelt geht es in New York weiter mit dem Klimagipfel. Auf dem UN-Gebäude prangen leuchtend eindringliche Worte Greta Thunbergs. Was für konkretes Handeln fehlt, fasste der UN-Generalsekretär Antonio Guterres vor dem Jugendklimagipfel in New York ganz treffend in Worte: „Das ist ein Problem der weltweiten Anführer: dass sie zu viel reden und nicht genug zuhören.“