Ausstellung „Friedrich Engels war viel interessanter als Karl Marx“

Die Schau zum 200. Geburtstag des Revolutionärs und Barmer Sohns steht. Lars Bluma und Heike Ising-Alms aus dem Kuratorenteam stellen sie vor.

Heike Ising-Alms und  Lars Bluma bereiten die große Engels-Schau vor.

Foto: Fries, Stefan (fri)

Er wurde freigelegt, der ganze Schutt aus Vereinnahmung, Verunglimpfung und Interpretation beiseite geräumt. Der historische Friedrich Engels soll im Mittelpunkt der großen Ausstellung zu Ehren des berühmten Barmer Sohns stehen. Jener Weltbürger und bedeutsame Revolutionär, der immer etwas im Schatten seines Partners Karl Marx stand. Weshalb nun die Schau zu seinem 200. Geburtstag umso beeindruckender ausfallen, ein Highlight des Jubiläumsjahres werden soll und nebenbei diejenige, die Marx 2018 in Trier ehrte, in den Schatten stellen könnte.

Der Zeitrahmen ist sportlich, seit Anfang 2019 und dem Bewilligungsbescheid der Förderung durch den Bund arbeitet das Team um den Leiter des Historischen Zentrums, Lars Bluma, an der Ausstellung, die deutlich über 300 Exponate in den fünf Räumen in der Kunsthalle Barmen zeigen wird. Sie durchforsteten die eigenen Bestände, entdeckten so ein Musterbuch, in dem Baumwollqualitäten abgebildet werden, oder ein Schulzeugnis von Engels, erwarben den einen oder anderen Gegenstand, oder holten viele, auch weniger bekannte Schriften hervor. Große Unterstützung kommt von der Familie Engels. Sie rückt etwa das Taufkleid der Familie oder ein Armband der Mutter von Friedrich heraus, das aus Gold, Glas und dem Haar ihrer neun Kinder gefertigt wurde, freut sich die leitende Kuratorin Heike Ising-Alms. Vor allem aber setzt das Team auf „die Kraft der Bilder“. Nicht auf gemalte bürgerliche Repräsentationskultur, sondern auf Fotos, das Medium, das im 19. Jahrhundert seinen Durchbruch erlebte. Das die damalige Zeit mit ihren durch die Industrialisierung ausgelösten Problemen wie der Auflösung der sozialen Verhältnisse in Erinnerung ruft, Erklärungstexte (fast) überflüssig macht. Selten gesehene Lichtbilder aus dem englischen Manchester etwa, nennt Projektleiter und Kurator Bluma als Beispiele: „Wir stellen Originale in den Vordergrund, lassen sie wirken und eine Geschichte erzählen.“

Originale erzählen
eine Geschichte

Einige Fotos werden sogar in Großprojektion gezeigt, es gibt Hörstationen, ein Engels-Spiel, animierte Karikaturen, die Engels selbst zeichnete. Die Ausstellungsarchitektur legte man in die Hand des Stuttgarter Gestalterbüros Space4, weil es Erfahrungen mit Industrie-Ausstellungen hat, etwa das „Zeitalter der Kohle“ in der Zeche Zollverein in Essen entwickelte, und ein starkes räumliches Denken mitbringt, das bei den Räumen in Barmen wichtig ist.

Die nämlich beschränken die Exponatenmenge (“wir hätten locker die doppelte Fläche bespielen können“, so Ising-Alms) und das Thema. Das konzentriert sich ganz auf das Leben von Engels, zeichnet es chronologisch von der Geburt bis zum Tod nach, orientiert sich zudem geographisch und widmet die Räume einzelnen Städten. Bluma: „Wir wollen Engels als historische Person im 19. Jahrhundert und als Person zeigen, die mit ihrem Werk und den Orten, an denen sie gewirkt hat, verbunden war.“ Natürlich wurde die aktuelle Forschung einbezogen, ein wissenschaftlicher Beirat, dem Anja Kruke vom Archiv der sozialen Demokratie/Friedrich-Ebert-Stiftung, Wilfried Nippel von der Humboldt Universität zu Berlin, Regina Roth von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften/MEGA und Clemens Zimmermann von der Universität des Saarlandes angehören, hinzugezogen. „Analog dazu stellen wir Engels dar“, der, so Ising-Alms, „weitaus interessanter war als der Bücherwurm Marx“.

Die Ausstellungsreise beginnt mit der Jugendzeit in Barmen (1820 bis 1838 in Raum 1). Es folgen die Jahre in Bremen und Berlin, wo sich Engels aus der pietistischen Enge des Elternhauses befreite und sein erster Manchester-Aufenthalt, als er mit der Fratze des Frühkapitalismus konfrontiert wurde (1838 bis 1845, Raum 2). Die Revolutionsjahre (1845 bis etwa 1850, Raum 3) erlebte Engels in Köln, Elberfeld, Paris und Brüssel, ging selbst auf die Barrikaden und musste fliehen. Er traf und fand zu Marx. 20 Jahre vertrat Engels anschließend in Manchester für den Vater das Unternehmen Ermen & Engels, das Nähgarn herstellte (Raum 4, 1850 bis 1870), bevor er als Rentner in London (Raum 5, 1870 bis 1895) zur Ruhe kam und nach dem Tod von Marx dessen Werk herausgab.

Aus dem Kommunistischen Manifest stammt dann auch der Titel der Ausstellung. „Friedrich Engels - Ein Gespenst geht um in Europa“ soll zum Nachdenken verführen, über Engels, der wie ein Gespenst nicht greifbar sei, über linke Ideen, die wie Gespenster Wiedergänger seien, so Bluma. Über Engels als Weltbürger und Europäer, ergänzt Ising-Alms. So wie die Ausstellung auch ein Stück europäische Geschichte des 19. Jahrhunderts zeichne, „eine Zeit im Umbruch“.

Am 29. März wird die Ausstellung eröffnet, ab dem 20. September wieder abgebaut. Einige Highlights sind für das Engels-Haus vorgesehen, das pünktlich zum 200. Geburtstag am 28. November wieder eröffnet werden soll.