Projekt Schlemmer, Schüler und ein besonderer Raum
Performance krönt Workshop des Tanztheaters Pina Bausch im Von der Heydt-Museum.
„Willkommen“ sagt der junge Mann, lächelt und setzt sich auf den breiten Treppenaufgang. Er steht auf, schreitet ein paar Stufen höher, setzt sich wieder. Mohamed Kourouma ist 18 Jahre alt und Schüler des Berufskollegs Kohlstraße. An diesem Freitag aber ist er Mitglied eines besonderen künstlerischen Ensembles, das gerade in einem einwöchigen Workshop des Tanztheaters Wuppertal Pina Bausch und des Von der Heydt-Museums geformt wurde.
Er und zwölf Mitschüler haben viel Spaß gehabt, den sie nun den Museumsbesuchern vermitteln, indem sie ihnen eine 20 Minuten lange Performance präsentieren, die Treppen, Gänge, Räume und natürlich die Oskar Schlemmer-Ausstellung einbezieht.
Tanztheater-Intendantin Bettina Wagner-Bergelt hat ein Herz für die Nachwuchsförderung und für das Bauhaus, war künstlerische Leiterin des Eröffnungsfestivals des Bauhaus-Jubiläums im Januar 2019 in Berlin. Im letzten Jahr beschlossen sie und das Von der Heydt-Museum, sich im Rahmen des Jugend- und Kinderprogramms des Tanztheaters, „Suchen & Finden“, zusammenzutun. Die aktuelle Schlemmer-Ausstellung wurde dabei bewusst einbezogen, immerhin setzte sich der Künstler intensiv mit der Figur im Raum auseinander und betrieb in Wuppertal intensive Materialstudien, etwa mit Lackfarben.
Der Workshop „Die Kugel des Kopfes, das Dreieck der Nase“ startete mit einer Einführung in die Ausstellung, erzählt Wagner-Bergelt, bevor ab dem zweiten Tag Bewegung, Materialkunde und Museumsarchitektur auch praktisch zusammengebracht worden seien. Eine wunderbare Erfahrung für alle, auch für den Gastgeber, findet Julia Dürbeck, die die Kunstvermittlung im Museum leitet, und lobt das konzentrierte und offene Herangehen der Schüler.
Wie Körper im Museumsraum funktionieren
Im letzten Jahr entwickelten Choreografin Martina La Ragione und Kostümbildnerin Susanne Stehle in Berlin erstmals mit Jugendlichen eine Art Bauhaus-Installation. Basis für ihre Arbeit in Wuppertal. Im letzten Sommer erkundeten sie dann das Museum, „um herauszufinden, wie Körper im Raum funktionieren“, erzählen sie. Dennoch gaben sie außer Ort und Material nichts vor, nahmen auf, was die 16 bis 20 Jahre alten Schüler mitbrachten. Der Prozess ist ihnen wichtig: „In der Bewegung verändern sich Material und Körper, werden zu Installationen.“
Die Schüler wickeln sich in fantasievolle Roben aus riesigen filzartigen Stoffbahnen oder verschwinden in glitzernden Rettungsfolien, die ihre Körper in Kunstobjekte verwandeln. Sie lächeln einladend oder blicken versonnen in die Ferne. Sie lehnen sich an Treppengeländer, Wände und Glastüren. Die Treppenstufen zur Ausstellung werden zum Wollfadenlabyrinth, durch das sich ein Schüler flink und wendig nach oben schlängelt. Zwei weitere stellen Schlemmers Stäbetanz nach, wenige Meter entfernt flimmert (wie zum Vergleich) eine Aufnahme des Tanzes aus dem Jahr 1980 von einem Monitor. Andere spannen lange schwarze Strumpfhosen über den Ausstellungsflur, binden sich ein, lassen los, streben auseinander. Es fällt kaum ein Wort, leise atmosphärische oder rhythmische Klänge begleiten die jungen Künstler.
Berufskolleg und Tanztheater arbeiten schon einige Jahre zusammen, Mohamed wirkte zuletzt bei „Underground“ im Schauspielhaus mit. Als Tänzer auf der Bühne zu stehen, kann er sich gut vorstellen, sagt der 18-Jährige. Und dass er viel gelernt habe, auch über Oskar Schlemmer. Und Doris Eichler, Musiklehrerin am Berufskolleg, „geht das Herz auf“, weil „endlich auch nicht privilegierte Schüler die Chance erhalten, mit Hilfe kreativer Menschen zu sich selbst zu finden“. Weil ihre Schüler nach einer Woche schon erwachsener geworden seien.
Nach der Performance gibt es, wie bei den Profis, lang anhaltenden Applaus und ein Versprechen. Weitere Schritte sollen folgen, die dann „theatralischer und tänzerischer werden“, sagt Wagner-Bergelt.