Tanztheater So war die „MacBeth“-Premiere im Pina-Bausch-Tanztheater Wuppertal

Wuppertal · Das Tanztheater Pina Bausch zeigt nach 29 Jahren „Er nimmt sie an der Hand und führt sie in das Schloß, die anderen folgen“. Die „Macbeth“-Adaption von Pina Bausch hatte am Freitag Premiere.

Die Schauspieler Johanna Wokalek und Jonathan Fredrickson in einer Szene des Tanztheaters Wuppertal. Am Freitagabend war die Premiere der Neueinstudierung des Stücks von Pina Bausch «Er nimmt sie an der Hand und führt sie ins Schloss, die anderen folgen».

Foto: dpa/Milan Nowoitnick Kampfer

Die Zeiten haben sich geändert: Das Bühnenbild ist dem ursprünglich von Rolf Borzik gestalteten Raum zwar bis ins Detail nachempfunden. Doch wo die Uraufführung im Bochumer Schauspielhaus 1978 in Zwischenrufen unterging und schließlich abgebrochen werden musste, herrschte bei der Premiere der Neueinstudierung gespannte Stille, mündend in begeistertem Beifall und stehenden Ovationen. Zum ersten Mal seit 29 Jahren ist „Er nimmt sie an der Hand und führt sie in das Schloß, die anderen folgen“ nun wieder in der Wuppertaler Oper zu erleben, womit sich das Tanztheater einen langgehegten Wunsch erfüllt. Einstudiert wurde die Wiederaufnahme unter der Leitung von Josephine Ann Endicott und Hans Dieter Knebel, die damals selbst mit auf der Bühne standen.

Der spärliche Lichteinfall lässt die reglosen Körper zunächst nur undeutlich erahnen. Nach und nach beginnen sie sich zu regen, wälzen sich bei zunehmender Helligkeit wie in unruhigem Schlaf auf den zusammengewürfelten Polstergarnituren und auf dem roten Teppichboden hin und her, verfallen immer mehr in ein wildes Zucken, scheinbar unkontrolliert, aber doch zyklisch choreografiert. Mit einem musikalischen Bruch setzt sich schließlich das gesamte Ensemble in Bewegung, beginnt den Raum rastlos zu durchqueren. Das wechselnde Licht wird dabei beinahe zu einem zehnten Protagonisten, der das Geschehen mal klinisch ausleuchtet, mal einem natürlichen Sonnenaufgang gleich lediglich durch das hohe Fenster einfällt und die Gesichter der Darsteller in ein geheimnisvolles Dunkel hüllt.

Dass schon der umständliche Titel einer Regieanweisung entnommen wurde, steht programmatisch für das gesamte Stück. Regieanweisungen geben sich die Tänzerinnen und Tänzer – oder besser gesagt: die Schauspielerinnen und Schauspieler – im Lauf des Abends immer wieder selbst, um sie gleich in die Tat umzusetzen: „Anzug saubermachen. Fröhlich begrüßen. Entspannt hinsetzen. Schön tief atmen.“ „Das war nix. Alles nochmal von vorne!“ Die Wiederholung einzelner Bewegungsabläufe, durch die sich zahlreiche Stücke Pina Bauschs auszeichnen, kommt hier auf besonders humoristische Weise zum Tragen: Mit dem Fortschreiten des Stücks erkennen die Zuschauer die Szenen bereits, bevor sie beginnen; so setzt das Gelächter bereits mit der heiteren Musik aus der Jukebox ein, noch bevor Oleg Stepanov sein zugehöriges Solo beginnt.

Zwei bekannte Schauspieler ergänzen das Ensemble des Tanztheaters: Maik Solbach übernimmt in dieser Wiederaufnahme den Part von Vitus Zeplichal und tobt regelrecht über die Bühne, nicht zuletzt durch den künstlichen Fluss, der am vorderen Bühnenrand angelegt wurde. Johanna Wokalek tritt in die Fußstapfen Mechthild Großmanns und macht sich die Rolle mit ihrer koketten Art zu Eigen. Voller kindlicher Begeisterung rezitiert sie Textfragmente aus Shakespeares „Macbeth“ und spinnt damit einen roten Faden aus dem Stoff der Tragödie, die abseits dieser narrativen Ebene eher assoziativ aufgegriffen wird: Die Darsteller waschen sich unaufhörlich das unsichtbare Blut von den Händen, retten sich angsterfüllt auf die umstehenden Möbel, berühren einander zärtlich und gehen im nächsten Moment aufeinander los wie zu groß geratene Kinder.

Die beiden Schauspieler fügen sich wie selbstverständlich in das Bild der Kompanie, denn getanzt wird im herkömmlichen Verständnis wenig. Vielmehr dient die Körperlichkeit der tänzerischen Sequenzen dem darstellerischen Ausdruck, der in Variationen verschiedener Befindlichkeiten durchexerziert wird: Die Liebesszenen, die sich wie von selbst aus dem Geschehen ergeben und sich wieder verlaufen, sprechen mal von Verlangen, mal von Zärtlichkeit. Die Nervosität, die sich durch das Stück zieht, trägt jeder Darsteller auf eine andere Art nach außen, durch Kneten der Hände, Kratzen am Kopf und verhaltene Blicke. Dieser Habitus weicht immer wieder einer explizit selbstbewussten Gestik, die angesichts der gehetzten Atmosphäre – wie auch bei Macbeth – jedoch eher als Fassade erscheint.