Pina Bausch Zentrum als Zukunftsort für Wuppertal
Uta Atzpodien über den Willen, etwas zu verändern.
Die Natur hat uns viel zu sagen, bäumt sich auf, vorhersehbar und unerwartet. Sie zeigt uns Menschen, Kunst und Stadt, dass es ganz anders kommen kann als geplant. Letztes Jahr fand am 10. November die Wuppertaler Performance Nacht statt. Einer der Orte war das leerstehende Schauspielhaus im Wupperbogen an der Kluse, um das sich derzeit die Gemüter in Stadt, Land und Bund rangeln und erhitzen, um finanziell die Zukunft des Pina Bausch Zentrums zu sichern. Genauer genommen sollte die Rückseite vom Schauspielhaus zum Performanceort werden. „Ich will dich“ lautete der Schriftzug der Künstlerin Susanne Kutter, die die Galerie Hengesbach eingeladen hatte.
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Wuppertal
Abends um 18:57 Uhr sollten sich diese drei Worte für eine Minute als Liebeserklärung, Drohung oder gar Forderung entzünden. Es regnete in Strömen. Das Feuer blieb aus. Die Performance fand nicht statt. Ein gutes halbes Jahr später, am vergangenen Samstag nun, sollte die Performance nachgeholt werden. Die folgenreichen Unwetter letzte Woche machten in ihrer bedrohlichen Naturgewalt einen Strich durch die Rechnung. Die Performance wurde erneut verschoben. Fast wirkt es so, als ob sich in dem Rangeln und vermeintlichen Nichtzustandekommen eine Performance der Widrig-keiten verbirgt. Kann dies auch Chance und Appell sein, dieses so schwer entflammbare „Ich will dich“ am Schauspielhaus unserer Stadt?
Am Samstagabend letztes Wochenende warfen einige künstlerische Aktionen neue Funken in das städtische Getriebe. Wenige Kilometer weiter östlich - vor acht Jahren rankte sich hier eine enorme Hände haltende Menschenkette vom Schauspielhaus bis zur Oper und engagierte sich für beider Zukunft - lud die zweite neue Tanztheater-Produktion mit „Neues Stück II“ von dem norwegischen Gast-Choreographen Alan Lucien Øyen in die Oper zur Premiere ein. Wie kann eine künstlerische Antwort auf den Mythos Pina Bausch und ein lebendiger menschlicher Weg für ihr kulturelles Erbe aussehen, den das Ensemble unter der künstlerischen Leiterin Adolphe Binder eingeschlagen hat? Der Erwartungsdruck ist groß. Mitte Mai, beim Stück I „Seit sie“ von dem griechischen Choreographen Dimitris Papaioannou, spürte ich Trauerarbeit, dramaturgisch gesehen, ein weiteres Abschiednehmen von Pina.
In meiner Neugier auf das „Stück II“ vertröste ich mich auf das nächste Aufführungs-wochenende. Am Samstag zog mich die Abschlussveranstaltung von „Lebe Liebe Deine Stadt. Tanz und Performance bewegen Wuppertal“ zur Börse. Drei Jahre lang war sie mit künstlerischen Expeditionen in Viertel gezogen, hatte kreative Impulse für die Stadtentwicklung gesetzt, Menschen einbezogen und zum Tanzen gebracht, Gedichte in die Stadt gestreut und mit Künstlerinnen und Künstlern an die Aufbruchsstimmung angedockt, die Wuppertal zum Blühen bringen will.
Noch inspiriert vom Motto der Literatur Biennale: Ja, wir müssen uns Stadt samt Kunstszene nicht „#SchönLügen“. Sie ist prima, eigenwillig und prekär. Es ist noch viel zu tun. Oft fehlt es auch künstlerisch noch an menschlichem Tiefgang, wie ihn Pina Bausch so einzigartig zu vermitteln vermochte. Woran es jedoch nicht zu mangeln scheint, sind Lust, Begeisterung und der Wille, etwas zu verändern.
Täglich sind es bedrohliche Klimaveränderungen, fragwürdige wirtschaftliche Entwicklungen und dringend notwendige Entscheidungen für eine zukunftsfähige Mobilität und Arbeit, die uns mit Fragen nach der Zukunft konfrontieren. Wo geht die Reise hin? Ein „Ich will dich“ für das Pina Bausch Zentrum als Zukunftsort in Wuppertal kann uns alle gemeinsam weiterbringen.