Liederabend Ein überzeugter Sänger, dessen Talent in Australien entdeckt wurde
Marco Agostini ist eines von vier Mitgliedern des Wuppertaler Opernchors, die den nächsten Liederabend am 26. Januar bestreiten.
Er habe eine gehaltvolle Stimme, schrieb unlängst ein Kritiker. Seine Stimme habe in der Mittellage eher baritonalen Klang, bei höheren Tönen brauche er mehr Kraft als erste Tenöre, sagt er selbst. Marco Agostini ist zweiter Tenor im Opernchor Wuppertal. Ein Sänger mit Leib und Seele, der andere brauchte, um das zu erkennen. Er selbst wollte eigentlich Kulturjournalist werden. Der heute 44-Jährige ist seit 2005 bei den Wuppertaler Bühnen angestellt. Bestreitet am kommenden Sonntag zusammen mit drei weiteren Opernchormitgliedern den nächsten Liederabend.
Der Liederabend ist in Wuppertal traditionell eine Matinee. Seit der letzten Spielzeit umfasst das Format auch ein Konzert eines Vokalquartetts aus dem Opernchor. Beim ersten Ensemble-Liederabend im Mai 2019 standen „Liebeslieder-Walzer“ von Johannes Brahms auf dem Programm, in diesem Jahr sind der Liederzyklus „Spanisches Liederspiel“ von Robert Schumann und Vokalquartette von Brahms sowie von dessen Schüler Gustav Jenner gesetzt. Besonders letzterer sei eine Entdeckung, strahlt Agostini.
Die Lieder des Spätromantikers seien sehr anspruchsvoll, klangschön, eigen und doch mit Anklängen an Brahms und Schumann. Die Moderation des Liederabends ist eigentlich eine Lesung von Anekdoten und Geschichten über die drei Komponisten unter anderem aus der Feder Jenners und Friedrich Wieks, der der Schwiegervater von Schumann war, aufgeführt vom musikaffinen Martin Petschan aus dem Wuppertaler Schauspielensemble. Agostini freut sich auf das Konzert mit seinen Kolleginnen und Kollegen, die er viele Jahre kennt, mit denen er seit etwa einem Vierteljahr probt. Der Lied-Gesang biete die Möglichkeit, der Musik mit Anspruch und Innigkeit zu begegnen, Können und Interpretationen zu zeigen, mitzuentscheiden, erklärt er, der Liederabend erlaube „Stimme und Seele zu pflegen“.
Eine Chance, Stimme
und Seele zu pflegen
Der Vater stammt aus der Toskana, die Mutter aus Köln, wo der Sohn Marco geboren wurde und aufwuchs, viele Interessen hegte, turnte, schwamm und sang. Freunde in der Schule animierten ihn in der zweiten Klasse, in einen Chor einzutreten. Nach der Schule ging er nach Australien, das er in der elften Klasse beim Schüleraustausch kennen- und schätzen gelernt hatte. Agostini studierte in Canberra Journalistik und Literaturwissenschaften, sang im Chor, weil er Kulturjournalist werden wollte. Bei einem Chorkonzert entdeckte eine Lehrerin sein Talent, gab ihm Privatunterricht. Als er daraufhin Musikwissenschaften studieren wollte, habe es an der Universität gehießen, man brauche Künstler und um Musikwissenschaften könne er sich im Rahmen eines Gesangsstudiums kümmern. Finanzielle Gründe beendeten das Studium an der Australien National University jedoch abrupt. Wieder zurück in Deutschland verfolgte Agostini das Ziel, sich als Sänger zu etablieren und als Freelancer journalistisch zu arbeiten. Er bewarb sich bei Zeitungen, sang an der Musikhochschule vor, um zu studieren. 2001 kam er so nach Wuppertal, wo er schon bald im Opernchor aushalf und schließlich fest anheuerte. Noch bevor er 2006 sein Studium abschloss.
25 Mitglieder, 12 Frauen und 13 Männer singen im Wuppertaler Opernchor mit. Agostini mag den Ensembleklang, freut sich zugleich über Soloaufgaben, die Abwechslung in den Alltag bringen, aber auch Stress. Nebenberuflich wirkt er bei konzertpädagogischen Projekten des Beethoven-Orchesters Bonn mit und bestreitet Oratorienkonzerte, die er schätzt, weil ihre Arien fein und sehr gut für die Stimme komponiert, emotional und dramatisch seien. Auch hier singt er solo sowie mit Orchester und Chor. Und die Oper? Sei eine tolle Kunstform, werde nie langweilig, schon weil es immer etwas zu tun gebe, erzählt er. Lieblingsopern sind für ihn immer diejenigen, die gut inszeniert sind wie aktuell der Strawinsky-Doppelabend „Oedipus Rex“ und „Les Noces“ oder 2009 „Die Rückkehr des Odysseus“ von Monteverdi.
Auch heute noch interessiert sich Agostini für musikwissenschaftliche Themen, betreibt die Recherche für die Konzerte, die er privat mit Kollegen aus dem Opernchor gibt, schreibt die Programmhefte. Und weil er sich gerne sinnvoll einbringt, ist er seit 2010 Mitglied und seit 2014 Vorsitzender des Betriebsrats der Bühnen. So wie er schon im Studium in Australien bei der Studentenvertretung mitwirkte. Australien, da wo seine Stimme entdeckt wurde.