Früher Polizist — heute Musical-Held

Dennis Henschel hat Kriminelle gejagt — bis er seinen Traum wahr machte und Sänger wurde.

Wuppertal. „Liebesszenen machen immer Spaß!“ Dennis Henschel muss es wissen. Der Musicaldarsteller küsst, kämpft, bangt und begeistert noch bis zum 1. September im Opernhaus.

„Kolpings Traum“ macht’s möglich: Wenn sich Adolph Kolping (Maximilian Mann) vom Schustergesellen zum sozial engagierten Priester mausert, ist Dennis Henschel alias Karl (fast) immer an seiner Seite. Auf die Frage, welche Szenen am traumhaftesten sind, hat Henschel eine klare Antwort: Die Liebe beflügelt — auf und hinter der Bühne. Denn nicht nur beruflich läuft es derzeit bestens: Vor vier Monaten ist der 29-jährige Sänger Vater geworden.

„Ich war drei Monate lang nicht zu Hause“, erklärt der gebürtige Gelsenkirchener, der in Sachen Musical pausenlos auf Achse ist. Da kam das Angebot, „Kolpings Traum“ — nach der Uraufführung in Fulda — auch in Wuppertal wahr werden zu lassen, gerade Recht: „Während des Gastspiels in Barmen wohne ich in Gelsenkirchen — und kann meine Freundin entlasten.“

Wohlgemerkt in der Zeit, in der er nicht gerade im Rampenlicht steht — mehr als 20 Shows gibt das Spotlight-Ensemble innerhalb von zweieinhalb Wochen. Ein Kraftakt, der andererseits auch neue Energien freisetzt: „Es ist phantastisch, wie die Zuschauer unser Musical annehmen“, freut sich Henschel. „Damit hat keiner gerechnet. Die Energie des Publikums beim Schlussapplaus ist unglaublich.“ Und wohlverdient.

Denn Henschel ist weit mehr als ein tragischer Held, dem Sabrina Weckerlin alias Susanne Wagner rollengemäß Liebe und Kinder schenkt. Der Gitarren-Liebhaber ist ein exzellenter Sänger, der bei „Kolpings Traum“ auch schauspielerisch alle Register ziehen kann.

Als Karl Wagner, Kolpings Freund, entwickelt er sich vom trinkfreudigen Handwerkergesellen zum besorgten Familienvater — bis hin zum nimmermüden Aufrührer, der für soziale Gerechtigkeit kämpft. Träume können sich schließlich erfüllen — auch privat könnte der 29-Jährige ein Lied davon singen.

Denn wer glaubt, dass kein Weg von der Polizeistation auf die Musicalbühne führt, irrt sich gewaltig. Henschel hat es vorgemacht: „Ich komme aus einer Polizistenfamilie“, erzählt der Sänger, der tat, was in einem solchen Fall vermutlich erwartet wird: Mit Blaulicht und Uniform folgte er dem Ruf der Vorfahren. Mit 16 begann er eine entsprechende Ausbildung, nach insgesamt sieben Jahren kündigte er jedoch: „Ich musste mich neu finden.“ Der Rest gleicht einer Geschichte, die sich kein Dramaturg hätte besser ausdenken können: Ein Freund wies Henschel den richtigen Weg. ,Du kannst doch singen“, habe er gesagt. „Bewirb dich mal bei einem Casting.“

Gesagt, getan. Nach dem ersten Vorsprechen kam ein zweites, nach der ersten Rolle die nächste. „Am Anfang war das aber eher hobbymäßig“, wiegelt Henschel bescheiden ab. Ein Träumer ohne Blick für die Realität ist er nicht, dafür aber Mitbegründer und Mitglied der Formation „Backstage — The Sound of Musical“. Taktgefühl beweist er auch als Komponist und Texter für Kurzfilmmusik.

Die traumhafte Wandlung vom Polizisten zum Hauptdarsteller war ein mehrjähriger Prozess — die Belohnung für harte Arbeit. Doch Henschel bleibt bodenständig. „Es gab viele glückliche Zufälle“, meint er. Vor allem „Die Päpstin“: Das Musical war ein Wink des Schicksals. Als ein Bänderriss Hauptdarsteller Mathias Edenborn kurz vor der Premiere aus dem Verkehr zog, schauten alle auf den von jetzt auf gleich berufenen Ersatzmann: Dennis Henschel. „Das war ein riesiger Sprung ins kalte Wasser.“ Und ein großer Sprung nach vorne. Denn heute, beim nächsten Spotlight-Musical, ist er erstmals die Erstbesetzung.

Ob er deshalb besonders nervös war? „Druck ist immer da“, betont er. „Wenn man weiß, dass man vorne steht, ist das ja auch eine Verantwortung. Man will das Beste geben.“ Dabei hat er diesmal so viel Freiraum wie nie zuvor: „Oft übernimmt man eine Rolle und muss sie für sich entdecken. Bei einer Uraufführung — noch dazu bei einer fiktiven Figur — ist das anders. Wir haben alles komplett neu entwickelt.“

So kann Henschel auch nicht nur seine gefühlvolle Seite ausspielen. Er darf auch stürmisch eine kleine Revolution ins Rollen bringen. Am Ende holt ihn seine Polizisten-Vergangenheit schon deshalb ein, weil ihm Kriminelle alles andere als unbekannt sein dürften. Ein besonders gewissenloses Exemplar steht ihm nun im Opernhaus gegenüber: Unternehmer Karcher (Claus Dam gibt den famosen Fiesling) beutet Fabrikarbeiter skrupellos aus. Kein Wunder, dass sein Gegenpart eine weitere Lieblingsszene hat: „Ich mag es, wenn Karcher angeschossen wird.“

Bleibt die Frage nach Henschels Traum. Eine tragende Rolle in einem der großen Musicals an einem festen Standort „wäre großartig“, sagt er, schränkt aber direkt ein: „Ich möchte einfach gesund bleiben — und von meinem Beruf leben können.“