Gast-Tenor Xavier Moreno: „Wir geben alle unsere Seele“

Der Tenor Xavier Moreno gibt in Wuppertal sein „Tosca“-Debüt und spricht über das Leben als freischaffender Sänger.

Foto: Stefan Fries

Wuppertal. „Selbst wenn man mit dem Mikroskop hinschaut, ist jede Sekunde in dieser Oper wertvoll“ — unverhohlen freut sich der Tenor Xavier Moreno auf die Wuppertaler „Tosca“-Inszenierung, in der er sein Debüt als Maler Cavaradossi gibt. Das ist auch die erste Premiere der Intendanz von Toshiyuki Kamioka.

Herr Moreno, in Wuppertal kristisieren viele die Abschaffung des bisherigen festen Ensembles. Sie waren von 2003 bis 2008 fest in Mannheim engagiert, arbeiten seitdem aber als freischaffender Sänger. Wie beurteilen Sie die beiden Systeme?

Xavier Moreno: Als Anfänger habe ich das Ensemble-System genutzt, um mich zu entwickeln. Aber außer in Deutschland gibt es das fast nirgendwo auf der Welt. Wenn man also international arbeiten will, hat man ohnehin keine Wahl. Diese Art der Arbeit zeigt mir immer wieder neue Horizonte, ich kann mich anders orientieren.

Manche Opernbesucher in Wuppertal befürchten, dass Gastsänger sich nicht so engagieren wie feste Ensemblemitglieder, weil sie ja schnell wieder weg sind.

Moreno: Das ist nicht wahr: Wir geben unsere Seele, wir wollen dem Publikum mit aller Kraft zeigen, was wir können. Wir sind doch keine Söldner, denen alles egal ist.

Wird Ihr Leben dadurch nicht sehr hektisch?

Moreno: Nein, das Gefühl habe ich nicht. Ein Festvertrag bedeutet auch keine Sicherheit. Ich fühle mich im Gegenteil privilegiert, weil sich die Situation für die Kultur durch die Kürzungen insgesamt verschlechtert hat. Ich bin aber auch bereit, etwas anderes zu machen, wenn mein Produkt als Sänger auf dem Markt nicht mehr gefragt ist.

Was denn?

Moreno: Zum Beispiel unterrichten, ich hatte gerade erst eine Meisterklasse in Bogotá. Ich komme auch vom Unterrichten, war nach meiner ersten Ausbildung Mathe- und Chemielehrer in Barcelona.

Und wie haben Sie den Sprung auf die Opernbühne geschafft?

Moreno: Ich habe gemerkt, dass die Schule nicht das ist, was ich wirklich will. Mit zehn Jahren habe ich mit der Musik angefangen, habe später parallel zum Lehramt auch Klavier und Chorleitung studiert.

Damit wird man aber kein Opernsänger.

Moreno: Sie können es kitschig nennen, aber „Tosca“ ist der Grund, warum ich Opernsänger geworden bin. Während meines Musikstudiums habe ich mich gern in unbekannte Stücke eingehört. Einmal habe ich mir vorgenommen, eine Woche lang in meiner Single-Wohnung „Tosca“ nebenher laufen zu lassen, einfach beim Spülen und Putzen. Aber als der zweite Akt lief mit der Auseinandersetzung zwischen Tosca und Scarpia, saß ich auf einmal tränenüberströmt im Sessel. Da begann meine Verbindung zur Oper, da habe ich gedacht: „Ja, das werde ich einmal tun!“

In Wuppertal singen Sie zum ersten Mal in „Tosca“ — es hat also eine ganze Weile gedauert.

Moreno: Darauf reagiere ich mit Rilke: „Ich lebe mein Leben in wachsenden Ringen“ - „Tosca“ ist für mich so ein Ring. In eine Partie muss man auch als Mensch hineinwachsen. Bisher habe ich alle Angebote für den Cavaradossi abgelehnt, aber jetzt war genau der richtige Moment. Jede Partie ist wie ein Raum, den man füllen muss. Wenn man zu früh in einen zu großen Raum geht, fühlt man sich nicht wohl, es fehlt dann nicht nur die vokalische, sondern auch die menschliche und seelische Reife.

Sie haben schon in so vielen Städten gearbeitet — haben Sie überhaupt noch Lust, sich auf eine neue Stadt einzulassen?

Moreno: In manchen Städten lässt man sich auf nichts ein, da pendelt man nur zwischen Hotel und Theater. Aber Wuppertal kenne ich schon, weil ich 2005 hier die „Traviata“ gesungen habe. Jetzt habe ich keine Zeit, in die Stadt zu gehen, weil wir extrem auf die Proben konzentriert sind. Aber am Ende der Proben ist es wichtig, spazieren zu gehen, um den Kopf ein wenig zu beruhigen.

Wuppertal hat Sie also damals nicht nachhaltig abgeschreckt?

Moreno: Nein, wieso denn? Das Wichtigste für mich ist sowieso die Oper. Als mich Herr Arnold, der Assistent von Herrn Kamioka, in Dänemark nach einer Aufführung besucht und mir erklärt hat, was sie hier vorhaben, war mir sofort klar: Mit diesem Dirigenten, dem Orchester und den Kollegen ist das die ideale Konstellation.