Musik Diese Geige birgt Geheimnisse

Iva Miletic vom Sinfonieorchester Wuppertal spielt eine besondere Leihgabe.

Iva Miletic und Robert Bocola. Foto: Anna Schwartz

Foto: Schwartz, Anna (as)

Für einige ist Musik die schönste Nebensache der Welt, für andere gar die Hauptsache. Beim schnöden Mammon wird es - wie überall - bierernst. Gerade wenn hochwertige Musikinstrumente zum Verkauf auf den Markt kommen, schnellen die Preise ins Unermessliche. Ein Glücksfall, wenn dann Eigentümer solche Schätzchen leihweise erstklassigen Musikern anvertrauen, damit sie gespielt werden und der schöne Klang die Welt verzaubert. Seit kurzem kann sich das Sinfonieorchester Wuppertal über so einen seltenen Glücksfall freuen.

Das ist auch bitter nötig. Denn Iva Miletic, Mitglied der ersten Geigengruppe, musste ihr wertvolles Leihinstrument an eine Schweizer Stiftung zurückgeben, weil diese es verkaufte. Ein Ersatz war nicht in Sicht. Eine Geigerin ohne Geige? Ein Kollege wusste von einem Instrument, das etwas Besonderes sei. Der Kontakt wurde hergestellt. Bei einer Probe in der Burgunderstraße hielt Miletic das Saiteninstrument zum ersten Mal in der Hand, verliebte sich sofort: „Es wurde zwar lange nicht mehr darauf gespielt. Aber der Klang ist brillant, er ist ganz besonders“, sagt sie begeistert von den Farben, die es erzeugt.

Das Instrument gehört Robert Bocola. Es ist seit etwa 100 Jahren im Familienbesitz. Er hat es von seinem Vater bekommen, der erster Geiger in einem Orchester war. Er bestätigt, dass es seit etwa 20 Jahren nicht mehr gespielt wurde. „Was das für eine Geige ist, weiß keiner“, erzählt er. „Auf der Geige ist ein Vuillaume-Etikett angebracht. Aber mit solchen Emblemen ist viel Missbrauch getrieben worden.“ Man ist sich sicher, dass sie nicht französisch ist, also nicht von der legendären Instrumentenschmiede stammen kann. Gutachter attestieren eine italienische Herkunft. Geschätztes Alter: 150 bis 200 Jahre. Über den Preis ist nichts bekannt. Vernünftige Orchesterinstrumente liegen in fünfstelliger Höhe.

Verkaufen will er sie auf keinen Fall. Er denkt auch nicht darüber nach, was später seine Erben damit anstellen. Erst einmal soll sie wieder gespielt werden. Er hatte sie schon einmal aus der Hand gegeben, an die Musikhochschule Köln - keine gute Entscheidung: „Sie war auf einmal weg. Es dauerte, bis sie wiedergefunden wurde“.

Nun hat er sie dem Wuppertaler Orchester zur Verfügung gestellt, das sie an Miletic weitergegeben hat. „Ich stelle keine finanziellen Forderungen“, so Bocola. Will er die Geige doch irgendwann einmal wieder zurückhaben, sei eine einjährige Kündigungsfrist vereinbart worden, wie Orchestermanager Benjamin Reissenberger betont.

Miletic ist glücklich, wieder auf einer exquisiten Geige spielen zu können. Keine gute Erfahrung hatte sie dagegen einmal mit einer Stradivari gemacht: „Sie war so schwer für mich“. Mit der Boccola-Geige fühlt sie sich sichtlich wohl. Während des letzten städtischen Kammermusikabends spielte sie die Solopartie bei „Die vier Jahreszeiten“ von Antonio Vivaldi brillant. Doch nicht nur solistisch, sondern auch während der Orchesterdienste innerhalb der ersten Geigen soll das Instrument eingesetzt werden.