Karl Otto Mühl: Ein Glückssucher in Wartestellung
Karl Otto Mühl schreibt über einen ehemaligen Kriegsgefangenen, der sich den Weg zurück ins Leben aktiv erkämpfen muss.
Wuppertal. In der Kriegsgefangenschaft in den USA war dem jungen Fallschirmjäger Willy Caspers alles klar: Irgendwann ist das alles vorbei, und dann kommt das richtige Leben. Aber nach der Heimkehr passiert eigentlich nichts. Caspers bleibt in einer eigenartigen Schwerelosigkeit.
Die 60er Jahre mit Studentenrevolte und Kaltem Krieg gehen zu Ende, und Caspers ist immer noch in Wartestellung. Das Glück kommt morgen. Erst als sich sein alter Lagerkommandant aus Amerika zu Besuch anmeldet, geraten die Dinge langsam in Bewegung.
Mit dem Buch "Die alten Soldaten" vollendet Karl Otto Mühl nach "Nackte Hunde" und "Siebenschläfer" seine Trilogie um Jugend im Dritten Reich, Krieg und Neubeginn. Dennoch ist der Roman in sich geschlossen.
Die Rückblenden in die Ausbildungszeit bei der Wehrmacht, der Einsatz im Afrikakorps bei El Alamain und die Zeit der Gefangenschaft sind klar und direkt erzählt. Das Kino im Kopf läuft. Anders die Haupterzählzeit der 60er. Viel indirekte Rede, Zusammenfassungen - vieles kommt indirekt beim Leser an, gefiltert durch die Figur des Caspers. Er muss sich seiner Erlebnisse vergewissern, ihnen eine Bedeutung zuordnen. Er ist mittendrin im Leben, aber wie durch eine Glaswand davon getrennt. Diese Art zu erzählen zeichnet einerseits den Zustand Caspers, fordert vom Leser aber auch Durchhaltevermögen.
Caspers hat als Soldat gelernt zu gehorchen. Andere sagten, wo es lang geht. Der Krieg hat ihn in einer Schreckstarre zurückgelassen. Deformiert, unfähig zu Beziehungen. Er will nie wieder abhängig sein. Dabei versucht er nach wie vor, sich im Spiegel anderer Menschen zu sehen, kann diese aber gar nicht richtig wahrnehmen.
Angefangen mit Feldwebel Maurer, seinem Ausbilder in der Wehrmacht. Ein Kerl wie ein Baum, der eigenhändig ein leichtes Geschütz herumreißen kann. Den scheinbar nichts beeindrucken kann. Und der erst als Kneipenwirt im Ruhrgebiet damit herausrückt, dass er den Rekruten Caspers nicht nur getriezt, sondern auch bewundert hat. Weil der sich einen Kern bewahrt zu haben schien, wo Maurers Macht nicht hinreichte.
Und dann ist da noch die strahlende, väterliche Gestalt des amerikanischen Lagerkommandanten. Der unfehlbar schien und dessen gute Meinung von Caspers darum wie ein festes Versprechen von zukünftigem Glück war. Der sich aber bei seinem Besuch in der Bundesrepublik als ganz normaler Mensch mit ganz normalen Schwächen und Nöten zeigt.
Caspers Kokon wird rissig. Die ersten Kameraden aus seiner ehemaligen Einheit werden krank und sterben - das Leben ist endlich. Noch ein Riss im Kokon. Caspers, dem bisher eher zufällig ein Leben geschah, wird immer stärker auf den Einzigen verwiesen, der etwas tun kann: auf sich selbst.
Und auch an die Möglichkeit einer festen Beziehung zu einer Frau kann Caspers jetzt immerhin denken. Es ist das anscheinend Einzige, was wirklich aus ihm selbst kommt, die Liebe zum Ballett und die Rezensionen, die er hin und wieder über Aufführungen schreibt, die für Caspers schließlich Ausgangspunkt sind für einen ersten aktiven Schritt ins Leben.