Keun und Kaléko im Doppelpass

Für eine szenische Lesung bringt Heiner Bontrup die beiden Autorinnen miteinander ins Gespräch — posthum.

Keun und Kaléko im Doppelpass
Foto: privat, Archiv: A. Fischer, Ullstein-Verlag, Dt. Taschenbuch Verlag

Mascha Kaléko und Irmgard Keun haben um 1930 gut hingeschaut und präzise aufgeschrieben, wie Männer ticken, wie die Nazis immer mächtiger werden und wie Frauen denken. Heiner Bontrup fügt ihre Texte zu einer szenischen Lesung zusammen.

Keun und Kaléko im Doppelpass
Foto: privat, Archiv: A. Fischer, Ullstein-Verlag, Dt. Taschenbuch Verlag

Herr Bontrup, Sie bringen Mascha Kaléko und Irmgard Keun in einen Dialog. Haben sich die Schriftstellerinnen gekannt?

Keun und Kaléko im Doppelpass
Foto: privat, Archiv: A. Fischer, Ullstein-Verlag, Dt. Taschenbuch Verlag

Heiner Bontrup: Gekannt haben sie sich nicht, aber es gibt viele Verbindungen. Beide sind in Berlin aufgewachsen, beide haben Frauen der späten 20er Jahre eine Stimme verliehen — gerade denen, die nicht mehr dem klassischen Frauenbild des früheren Kaiserreichs entsprachen. Und beide sind Verfolgte des Nazi-Regimes und ins Exil gegangen.

Keun und Kaléko im Doppelpass
Foto: privat, Archiv: A. Fischer, Ullstein-Verlag, Dt. Taschenbuch Verlag

Waren sie bekannt?

Bontrup: Beide sind unglaublich erfolgreich gewesen. Keuns Romane „Gigli“ und „Das kunstseidene Mädchen“ waren Kassenschlager. Kaléko war um 1930 die auflagenstärkste deutschsprachige Lyrikerin, weil sie regelmäßig in den großen Tageszeitungen veröffentlicht hat.

Wie ist die Idee entstanden?

Bontrup: Ursprünglich ist die Musikerin Rosi Dasch auf die Idee gekommen, solch eine szenische Lesung für das Klezcolours-Festival zu machen. Ich fand dann die fiktive Annahme reizvoll, dass sich Keun und Kaléko heute treffen und auf die Zeit im Berlin der 20er und 30er Jahre zurückblicken. Ich bin auch überzeugt, dass sie sich gut verstanden hätten, auch wenn die Charaktere völlig unterschiedlich waren. Denn beide hatten einen Röntgenblick für die gesellschaftlichen Hintergründe.

Wie haben Sie die Lesung angelegt?

Bontrup: Ich glaube, dass es mir gelungen ist, aus Romanen, Gedichten, Briefen und Tagebuch-Einträgen einen relativ natürlichen Dialog zu schaffen. Das Material ist da, man muss es eben geschickt collagieren. Es ist ein Grundprinzip von mir, Fiktionales auf Nichtfiktionales prallen zu lassen — dann entsteht Poesie. Hier ist die Grundsituation fiktiv, aber die Texte gibt es — und ich sorge für die Gelenkstellen.

Durften Sie die Texte verwenden, wie Sie wollten?

Bontrup: Ich musste den gesamten Text dem Deutschen Taschenbuch-Verlag und Mascha Kalékos Nachlass-Verwalterin Gisela Zoch-Westphal vorlegen. Bis auf leichte Änderungen hatten sie aber nichts auszusetzen.

Wie fügen Sie Musik zu den Texten?

Bontrup: Es ist fast wie ein Live-Hörspiel. Salome Amend verbindet einzelne Passagen mit Zwischenspielen auf dem Vibrafon. Unter den Texten liegt ein Klangteppich, Oscar Petersohn hat die Soundscapes aufbereitet. Dazu werden Original-Aufnahmen aus der Zeit live eingespielt — von den Bücherverbrennungen oder die wunderbare Persiflage auf eine Hitler-Rede von Mascha Kaléko.