Konzert: Spiel mit Kopf und Herz

Werner Dickel lebt für neue Musik. An der Hochschule fördert er junge Bratschisten. Heute dirigiert in der Immanuelskirche.

Wuppertal. Gleichgültigkeit gegenüber dem Notentext hasst Werner Dickel: "Mein pädagogisches Ziel ist es, die Leute aufzuwecken für jeglichen musikalischen Ausdruck." Bei vielen jungen Musikstudenten fehlt ihm das Feuer, die Bereitschaft, sich mit aller Energie mit dem Instrument auseinanderzusetzen.

Mindestens zwei Tage pro Woche widmet sich der Professor an der Wuppertaler Musikhochschule jungen Bratschisten und erarbeitet mit den Nachwuchsmusikern Kammermusik.

Dabei liegt dem 48-Jährigen die Avantgarde am Herzen, ohne dass er sich selbst als "Neue-Musik-Spezialist" bezeichnen will: "Ich spiele Mozart und Brahms genauso gerne. Aber gerade die neue Musik hat es nötig, dass man sie mit viel Kopf und Herz interpretiert."

Eine solch herzliche Interpretation erhofft er sich auch heute und morgen in seinen beiden Konzerten mit dem Schönberg-Ensemble der Musikhochschule. Zwölf Musiker dirigiert Dickel bei der Kammermusik-Bearbeitung von Gustav Mahlers 4. Sinfonie: "Ich bin immer erstaunt, wie wenig man den Klang des Riesenorchesters bei dieser kongenialen Bearbeitung vermisst."

Solistin der Sinfonie ist die Norwegerin Trine Lund (Sopran), Meisterschülerin von Barbara Schlick. Anschließend führt Dickel "Atlas Eclipticalis" von John Cage auf, bei dem Sternbilder auf die Notenlinien gemalt sind und von den Instrumentalisten nach variablen Parametern gespielt werden können, während der Dirigent mit seinen Armen uhrenähnlich den Zeitablauf festlegt: "Das künstlerisch Anspruchsvolle ist, sich zu begrenzen, sich nicht selbst darzustellen und ein Gefühl für Aktionen zu bekommen."

Dickel selbst hat sich sehr lange und intensiv mit neuer Musik auseinander gesetzt. Nach seinem Studium in Köln, Utrecht und vor allem beim prägenden Altmeister Sandor Végh in Salzburg spielte er zehn Jahre lang im renommierten Ensemble Modern: "Das war meine wirkliche Heimat für lange Zeit."

Irgendwann jedoch hatte er genug davon, dauernd in kürzester Zeit neue, schwer zu entziffernde Stücke zu pauken. Er erhielt 1995 die neu eingerichtete Wuppertaler Bratschen-Professur und pendelte erst einmal drei Jahre von Frankfurt ins Tal.

Als er dann das erste Mal im Gelpetal landete, hatte er sein Herz verloren. Nach längerer Suche fand er zusammen mit seiner Frau, die in Düsseldorf eine Bratschen-Professur hat, und seinem 14-jährigen Sohn am Rande Cronenbergs ein Häuschen direkt am Burgholz. Dabei schätzt er nicht nur die Natur: "Ich habe hier so viele interessante Leute kennen gelernt", sagt Dickel. In Peter Kowalds "Ort" an der Luisenstraße, den er als Untermieter zum Üben und Unterrichten nutzt, trifft er viele Künstler.

Er plant zusammen mit seinem Freund Wolfgang Schmidtke das "Festival 3. Art", dirigiert bei der Bergischen Gesellschaft für Neue Musik und organisiert die Reihe "Musik auf dem Cronenberg".

In den Sommerferien macht Dickel ebenfalls Musik: Wie immer ist er zu Musikfestivals eingeladen. Anschließend erholt er sich mit seiner Familie auf der Farm seiner Frau im Staat New York.