Schauspiel Melles „Bilder von uns“: Das Schauspiel wagt den Blick hinter das Verdrängen

Im Theater am Engelsgarten feiert Thomas Melles „Bilder von uns“ am Freitag Premiere.

Foto: Uwe Schinkel

Wuppertal. Das Gedächtnis ist ein Wunderwerk — aber kein verlässliches Archiv. Konstant arbeitet es daran mit, aus dem Leben der Menschen Geschichten zu machen, Erzählbares. Dabei werden auch Dinge ausgeblendet oder verdrängt, bewusst oder unbewusst, die nicht hineinpassen. Oder die der Person schaden.

So auch bei Jesko Drescher im Stück „Bilder von uns“ von Thomas Melle, das am Freitag, 13. Oktober, ab 19.30 Uhr Premiere im Theater am Engelsgarten feiert.

Drescher führt ein gutes Leben: Er ist als Manager erfolgreich, ist verheiratet mit Kindern. Alles gut. Aber dann wird ihm ein Bild zugeschickt. Ein Nacktbild von ihm. Aus seiner Schulzeit. Und das wirft ihn aus der Bahn. Er trifft sich mit ehemaligen Mitschülern, die alle anders mit ihrer Vergangenheit umgehen — Leugnung, Verdrängung, Selbstzerstörung. Hauptsache, man behält die Kontrolle über seine Lebenserzählung. Der Autor Thomas Melle spielt mit dem Stück auf die Missbrauchsfälle am von Jesuiten geführten Aloisiuskolleg in Bad Godesberg an, das er selbst besucht hat.

Für den Intendanten der Wuppertaler Bühnen, Thomas Braus, geht es in dem Stück über Missbrauch um die Rollen, die wir im Leben spielen, darum, was sich die Menschen im Leben vorspielen. Damit führt auch das zweite Stück seiner Amtszeit den roten Faden fort, der vom Spiel erzählt, davon, wie Theater entsteht.

Als Regisseur hat Braus dafür den 1989 in Berlin geborenen Henri Hüster gewonnen, der das Stück mit Hanna Rode (Bühne und Kostüme) und Sylvana Seddig (Choreografie) inszeniert. Braus sagt, er habe Hüster wegen dessen Umgang mit körperlicher Darstellung im Theater geholt. Es geht darum, was die Schauspieler mit ihrem Körper sagen können.

Hüster interessiert sich für „Extremzustände des Geistes“ und Melle mache diese durch seine ehrliche und einfache Sprache erfahrbar. Die Schauspieler verschmelzen dafür auf der Bühne mit von Hanna Rode entworfenen Masken und dem Bühnenbild, sprechen als Bilder zum Publikum. Geschützt durch diese Masken offenbaren sie sich durch Sprache und eben durch die choreographisch umgesetzte Bewegung.

Die Dramaturgin Barbara Noth sieht in dem Stück mehr als den konkreten Anlass, mehr als den Missbrauch. „Es wäre ein Leichtes gewesen, auf die Diskussion um den Missbrauch an Schulen aufzuspringen“, sagt Noth. Und angesichts des angekündigten Besuchs eines Schulleiters der Jesuitenschule und des Autors zur Premiere, werde das sicher im Nachgang auch passieren. Aber für die Bühne sei das Thema ein anderes. Denn „Melle denkt größer“, sagt Noth. „Es geht um die Frage, wie bin ich zu dem geworden, der ich bin“, sei es durch Verdrängung oder dadurch, „in den Brunnen zu gucken“. Im Stück soll beides thematisiert werden — durch Bewegung und Sprache, vor und hinter Masken.