Wuppertaler Kultur Wuppertaler Tanztheater begeistert zum Saisonauftakt

Wuppertal. Pina Bausch gilt vielen Menschen als Ikone. 19.000 Zuschauer feierten gerade erst in New York die Tanzkompanie. Regelmäßig bilden sich Schlangen am Verkaufsschalter, wenn der Kartenverkauf beginnt.

Jo Ann Endicott und Bénédicte Billiet probten „Die sieben Todsünden“.

Foto: Bartsch,G. (b13)

Jetzt zeigte sich das Tanztheater zum Saisonauftakt erstmals von einer sehr persönlichen Seite und lud zwei Tage lang ins Wuppertaler Opernhaus ein.

„Ich will das Haus aufwärmen“, sagte Intendantin Adolphe Binder. „Mir war es wichtig, dass man näher an die Künstler herankommt.“ Das umfangreiche Programm bot dazu reichlich Möglichkeiten. So begannen die Tänzer am Samstag Vormittag auf der Opernhausbühne mit ihrem normalen Aufwärm-Training, beobachtet von rund 40 Zuschauern. Unter der Leitung von Tilman O‘Donnell absolvierten sie ganz klassisch Beugen und Drehungen, streckten die Arme zum eleganten Kreis, hoben sich auf die Zehenspitzen. Matthias Burkert sorgte dazu am Klavier mit improvisierten mal klassischen, dann wieder munteren 20er-Jahre-Klängen für einen einheitlichen Rhythmus. „So beginnt bei uns jeder Tag, von 10 bis 11.30 Uhr ist Training“, verriet Adolphe Binder.

Wie die Kompanie typischerweise weitermacht, konnten die Zuschauer am Nachmittag beobachten, als sich das Haus mehr und mehr füllte. Julie Shanahan und Dominique Mercy probten das Stück „1980“ mit dem Ensemble und Jo Ann Endicott und Bénédicte Billiet „Die sieben Todsünden“. Schnell wurde deutlich, mit wie viel Aufmerksamkeit auch für kleinste Details die Tänzer arbeiten, wie die alten Pina Bausch-Weggefährten noch jeden Ratschlag und jede Forderung der Choreografin im Kopf haben.

Doch das Ensemble zeigte auch seine Weiterentwicklung: So tanzten Tsai-Wei Tien und Jan Möllmer auf der Hinterbühne ihre eigene Choreografie „The Man“. Die witzigen Ideen sorgten immer wieder für Lachen im Zuschauerraum: Das ganze Stück dreht sich um zwei Mäntel, die auf verschiedene Arten genutzt werden. Mal dienen sie als Versteck, dann als Rollen-Symbol, als Gefängnis oder als Bügelbrett. Zum Schluss schlüpfen beide in einen Mantel und symbolisieren so nach Machtkämpfen und Auseinandersetzungen ihre Harmonie.

Wer sich rechtzeitig angemeldet hatte, konnte die Körperarbeit auch selbst ausprobieren. In fünf Workshops ermutigten verschiedene Tänzer des Ensembles ihre Gäste. Im geschützten Rahmen des Ballettsaals versuchten junge und ältere Laien Gesten, Schritte und Ausdruck. „Ein tolles Erlebnis“, fand Teilnehmerin Isabell Meier. Solche Workshops bietet das Tanztheater auch während der Spielzeit an, die Tickets sind jedoch sehr begehrt. Über die New-York-Tournee und das Tanzen sprach Adolphe Binder auf der Hinterbühne mit Barbara Kaufmann und Helena Pikon, während auf einer großen Leinwand Fotos der Reise von Milan Kampfer zu sehen waren. Beide Tänzerinnen erzählten, wie sie als junge Frauen ohne Tanzausbildung von den Bewegungen und der Persönlichkeit Pina Bauschs fasziniert waren und ohne besonderen Plan in das Ensemble gezogen wurden. Und sie schwärmten von der Intensität des Stücks „Frühlingsopfer“ zur Musik von Strawinsky. „Wenn man auf der Erde geht und die Musik kommt — dann passiert etwas Höheres“, sagte Barbara Kaufmann. „Es ist ein unglaubliches Erlebnis, das zu tanzen“, ergänzte Helena Pikon. In einem Filmausschnitt bekamen die Zuschauer einen Eindruck des hoch emotionalen Stücks.

Und auch an den beiden Abenden tanzte das Ensemble live Ausschnitte aus verschiedenen Stücken. Im Kronleuchterfoyer gab es dazu einen kleinen tänzerischen Epilog und außerdem Samba von den Brasil Percussion Allstars. Den Abschluss des intensiven Tags bildete am Samstag eine große Tanzparty mit Musik von DJ Marcus Worgull. Hier konnten die Besucher Schulter an Schulter mit den Pina Bausch-Tänzern tanzen, völlig zwanglos und privat.