Kultur Das Herz der Avantgarde

Hajo Jahn hat einen Else Lasker-Schüler-Almanach herausgegeben.

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Foto: Verlag

Else Lasker-Schüler – die schillernde, vielseitige Wuppertaler Künstlerin mit ihrer überbordenden Phantasie – wird in einem neuen Almanach von allen Seiten beleuchtet. Anlässlich ihres 30-jährigen Bestehens hat die Else-Lasker-Schüler-Gesellschaft das 384-seitige Buch „Meinwärts – das Herz der Avantgarde“ im Peter Hammer Verlag herausgebracht. Darin sind viele Texte aus dem umfangreichen Jubiläumsprogramm zum 150. Geburtstag der Dichterin vergangenes Jahr enthalten.

Zum einen wird in dem Buch die szenische Hommage „Prinz Jussuf von Theben“ veröffentlicht, in der Gerold Theobalt Zitate von Else Lasker-Schüler (ELS) von einer Gruppe Schauspieler vortragen lässt. Sie wechseln in und aus den Rollen, hinterfragen Else und ihr Leben. In eindringlichen Szenen zeigt Theobalt die Emotionen und Lebensansichten der Künstlerin.

Zum anderen haben viele Autoren interessante Texte zu unterschiedlichen Themen rund um ELS beigesteuert. Hajo Jahn, der engagierte Vorsitzende der Else-Lasker-Schüler-Gesellschaft, dankt vielen berühmten Mitstreitern und Vereinsmitgliedern wie der Sängerin Monika Fry, den Politikerinnen Claudia Roth und Rita Süßmuth oder der Autorin Stefanie Zweig. Außerdem erinnert er an die monatelangen Protestaktionen von Schriftstellern gegen ausländerfeindliche Anschläge auf Notunterkünfte. „Exil war und ist kein Zuckerschlecken – Else Lasker-Schüler sowie viele andere deutsche Künstler und Intellektuelle hatten es Jahrzehnte zuvor erfahren müssen“, sagt Hajo Jahn, der die ELS-Gesellschaft als politisch-zeitkritisch sieht: „Wir pflegen ihr Werk und Andenken: gegen Antisemitismus, Nationalismus und Fremdenfeindlichkeit. Für Toleranz, Gewissen gegen Gewalt.“

Dementsprechend erzählt etwa Ulrike Müller von unbequemen Frauen, wie auch Else eine war. Etwa die Schauspielerin Hedy Lamarr, die während des Zweiten Weltkriegs eine Funksteuerung für U-Boot-Torpedos entwickelte, die Frauenrechtlerin Henriette Fuerth, die über Sexualität aufklärte, die mit Berufsverbot belegte Geschichts-Professorin Klara-Marie Fassbinder. Oder die jüdische Physikerin Lise Meitner, die bei der Verleihung des Nobelpreises übergangen wurde zugunsten ihres männlichen Kollegen.

An viele Weggefährten erinnert das Buch, etwa an Paul Alsberg, den Nachlassverwalter von ELS, oder an Heinrich Böll und seine Rede in Wuppertal zur Kunstfreiheit (angesichts der Tatsache, dass die Stadtverwaltung Elses Stück „Die Wupper“ kurzfristig abgesagt hatte). Viele Zeitzeugen erhalten ihren Platz, die ähnlich wie ELS von den Nazis verfolgt wurden und sich später gemeinsam mit der ELS-Gesellschaft für Versöhnung eingesetzt haben.

Wissenschaftler setzen sich außerdem in dem Buch mit dem Werk von ELS auseinander. So erklärt Karl Bellenberg, der über sie promoviert hat, warum Komponisten die Gedichte von ihr so schätzen: Ihre Wortneuschöpfungen, ihre orientalisch anmutende Metaphorik und ihr musikalisches Vokabular lassen sich gut vertonen. Außerdem setze die Dichterin selbst auch den Klang von Sprache sehr gezielt ein. Uta Grossmann führt auf, dass ELS die meistvertonte Dichterin des 20. Jahrhunderts sei, deutlich vor Georg Trakl und Gottfried Benn und gleichauf mit Hermann Hesse. Bilder und Texte zu den zahlreichen Aufführungen und Aktionen des Jubiläumsjahrs 2019 vervollständigen den Almanach. Er liefert mit seinen vielfältigen Texten spannende Informationen zu unterschiedlichen Autoren und Aspekten in weitem Kreis rund um Else Lasker-Schüler.