Kultur Hesse macht die Zerrissenheit Lasker-Schülers hörbar

Zum Sinfonischen Gedicht „Ich habe dich gewählt“ ist jetzt ein Live-Mitschnitt auf CD erschienen.

Das Werk von Lutz-Werner Hesse war ein Kompositionsauftrag der Bühnen und des Sinfonieorchesters.

Foto: Schwartz, Anna (as)

Diese Komposition beginnt mit kraftvollen Paukenwirbeln, doch zuvor rezitiert der Schauspieler Thomas Braus ein Gedicht von Else Lasker-Schüler und nimmt die Zuhörer mit ins Geschehen. Das Sinfonische Gedicht „Ich habe dich gewählt“ von Professor Lutz-Werner Hesse wurde bei der Uraufführung vom Publikum umjubelt. Nun ist ein Live-Mitschnitt auf CD erschienen. Das Werk war ein Kompositionsauftrag der Wuppertaler Bühnen und des Sinfonieorchesters Wuppertal anlässlich des Else Lasker-Schüler Gedenkjahres. Im Dezember 2019 konnte man zwei Konzerte in der Wuppertaler Stadthalle erleben. Die Uraufführung wurde live mitgeschnitten und war einige Tage später im WDR zu hören.

Das größte Stück bisher

Auf der CD nun diese Sinfonischen Dichtungen des Komponisten und Direktors der Hochschule für Musik und Tanz Wuppertal, Lutz-Werner Hesse. „Vom Aufwand her ist es das größte Stück, das ich bisher geschrieben habe“, so Hesse. Sein Opus 82 dauert 45 Minuten und bietet zeitgenössische Musik mit großartigen instrumentalen Farben und stimmungsreichen musikalischen Spannungsbögen.

Es ist eine Hommage an die 1919 in Elberfeld geborene Else Lasker-Schüler. Aus der Fülle ihrer Lyrik wählte Hesse sieben kurze Gedichte mit hoher Aussagekraft und fasste sie in eindrucksvolle Klänge. Der CD-Titel „Ich habe dich gewählt“, ist die erste Zeile des Gedichts „Heimlich zur Nacht“, und bereits diese Wahl verrät eine hervorragende musikalische Dramaturgie in Bezug auf die Umsetzung der Gedichte und die Gestaltung der Abfolge. Mezzosopran und zwei Chöre bettet Hesse ein in den großen Orchesterklang des Wuppertaler Sinfonieorchesters. Große Streichergruppen, viel Schlagwerk, Bläser und sogar die große Orgel sind im Einsatz.

Mit großer Innigkeit und lyrischer Seele

Hesses Klangwelten machen die Lebendigkeit, die Melancholie, aber auch die Zerrissenheit Lasker-Schülers hör- und spürbar. Mit großer Innigkeit und lyrischer Seele gibt Mezzosopran Iris Marie Sojer den Gedichten ihre Stimme. Opernchor und Kammerchor „Amici del canto“ harmonieren hervorragend und entfalten wunderschönen Chorklang. Mystische Klangfarben begleiten das romantische Gedicht „Vollmond“. Zauberhaft erklingen Solostimme und Chor zur Harfe.

Wenn die Solistin „Ich liebe dich“ singt, verweisen gebrochene Akkorde und die einsetzenden Bläser auf eine große Verunsicherung der Dichterin. „Mein Tanzlied“ entwickelt sich mit furiosem Elan zu einem wahren Höllentanz und erinnert an Strawinskys „Sacre du Printemps“. Thomas Braus rezitiert eindrucksvoll und die Chöre lassen mit ihrem Ruf nach dem Teufel gespenstische Szenen entstehen. Es folgen ruhige Klänge, die „Das Gebet“ sanft begleiten und beschreiben. Ein Epilog beendet das Werk mit Zitaten aus den vorhergehenden Sätzen.

Eine weitere Komposition von Lutz-Werner Hesse findet sich auf der CD: „Infinite Landscape“ („Two orchestral pictures“) dauert 17 Minuten und zeigt eine andere Seite des Komponisten. In zwei, zu Beginn von sanften Streicherpassagen dominierten Sätzen beschreibt er hier die Weiträumigkeit einer Landschaft.

Beide Live-Mitschnitte sind von guter Klang- und Aufnahmequalität. Im Booklet sind die sieben Gedichte Else Lasker-Schülers sowie Erläuterungen zu den Kompositionen abgedruckt.