Opern-Premiere in Wuppertal: Verwirrung als Prinzip
Tilman Hecker arbeitet zum ersten Mal in Wuppertal. Der 31-Jährige glaubt an „Die Gärtnerin aus Liebe“.
Wuppertal. „Man kann sich nicht sicher sein, dass jemand, der ,Ich liebe dich’ sagt, das auch tatsächlich so meint.“ Was Dramaturg Johannes Blum feststellt, gilt natürlich ganz generell, in sehr spezieller Hinsicht jedoch vor allem auf der Opernbühne. Nun, so viel ist zumindest sicher: Tilman Hecker setzt auf „Die Gärtnerin aus Liebe“. Der 31-Jährige inszeniert zum ersten Mal in Wuppertal — und Johannes Blum, der ihm als Dramaturg zur Seite steht, betont, dass die Geschichte, die dahintersteckt, keinesfalls so harmlos sei, wie es der Titel suggeriere.
Was sich ab dem 14. Januar im Opernhaus abspielt, ist in der Tat verwirrend: Sieben Menschen begegnen sich in einem Haus — sie sind verlassen worden, verletzt und verlogen.
Hausherr Podestà (Boris Leisenheimer) hat die illustren Gäste um sich versammelt. Unter ihnen ist Gräfin Violante (Banu Böke), die sich inkognito — als Hausangestellte Sandrina — zusammen mit ihrem Diener Nardo (Olaf Haye / Miljan Milovi) engagieren lässt, um ihren Ex-Geliebten Belfiore (Christian Sturm) davon abzuhalten, Arminda (Arantza Ezenarro), die Nichte des Hausherrn, zu heiraten. Diese wiederum zieht ihren einstigen Geliebten hinter sich her, der die Hochzeit ebenfalls verhindern möchte.
Als ob das nicht schon kompliziert genug wäre, bringt Hecker auch noch die Vorgeschichte ins Spiel: „Eigentlich geht es um ein Mordtrauma“, erklärt er. „In einem Eifersuchtstreit hat Belfiore seine Geliebte Violante verletzt. Er glaubte, sie sei tot, und verschwand.“ Doch die Gräfin lebt weiter. „Sie liebt ihn trotzdem, ist ihm verfallen.“ Und will nun mit allen Mitteln „dazwischenfunken“, damit er keiner anderen die Treue schwört.
So sind Violante und Belfiore die Dreh- und Angelpunkte der Mozart-Oper. „Beide sind traumatisiert“, analysiert der Regisseur. „Das gipfelt im Wahnsinn.“ Darum gehe es ihm schließlich auch: „Mein Wunsch ist, den Wahnsinn erlebbar und nachvollziehbar zu machen.“
Sein Schlüssel zum Wahnsinn ist die Projektion — denn Hecker, der zuvor am Berliner Radialsystem V und am Salzburger Landestheater Regie führte, möchte in Barmen in bester Absicht Verwirrung stiften. So viel darf deshalb schon verraten werden: Anfangs sehen die Zuschauer einen (weitgehend leeren) Salon.
„Mit dem einbrechenden Wahnsinn beginnt dann die Videoprojektion“, kündigt der Regisseur an. Eine große Leinwand soll dafür sorgen, dass „ein inszenierter Traum“ entsteht: „Das Haus wird zu einem Labyrinth aus Visionen.“ Wie eine Aneinanderreihung unzähliger Spiegelbilder dürfte es wirken: Eine Treppe wird sich vervielfältigen, auch die Zahl der Figuren soll sich wie durch Geisterhand vermehren — per Projektion.
Ein aufstrebender Regisseur inszeniert ein frühes Mozart-Werk — eine Kombination, die nicht zuletzt junges Publikum ins Opernhaus locken soll. Mozart war erst 19 Jahre alt, als er „Die Gärtnerin aus Liebe“ komponierte. Entstanden ist ein Dramma giocoso — also keine reine Buffo-Oper. „Die Liebesverwirrung steht für die grundsätzliche Verwirrung des Menschen“, sagt Blum — der Dramaturg verweist auf die doppelbödigen Charaktere zwischen Buffo-Typik und komischer Tragik.
Andere Mozart-Stücke werden deutlich häufiger gespielt. Weshalb ist das Liebes-Chaos aus dem Jahr 1775 eher ein Geheimtipp als ein Kult-Thema? „Wir nehmen Realität heute fragmentarischer und doppelbödiger wahr“, betont Blum. „Ich denke, die Zuschauer werden am Ende sagen: Da steckt ja die heutige Verwirrtheit drin.“ Das moderne Video-Konzept komme daher gerade zur rechten Zeit: „Diese Oper ist alles andere als ein glattes Werk eines perfekten Komponisten. Es ist ein Jugendwerk — mit allen Vorteilen.“ Ob es vom Publikum (aufrichtig) geliebt wird, zeigt sich am 14. Januar.