Elberfeld Von der Heydt-Museum wird zum Jankel Adler-Zentrum
Sammlung wächst um mehr als 550 Werke des Spätexpressionisten.
Er sei ein Exempel für die komplexe Verflechtung der Kulturen, Religionen und Welthaltungen im 20. Jahrhundert. Freut sich Roland Mönig. Er ist der Künstler Jankel Adler (1895 bis 1949), dem das Von der Heydt-Museum 2018 eine große Retrospektive widmete, um den spätexpressionistischen Star der 20er und 30er Jahre, der von den Nazis geächtet wurde, aus dem Vergessen heraus ins verdiente Licht zu holen. Diesen Ansatz setzt nun die Erwerbung eines umfangreichen Werkkonvoluts des polnischen Künstlers fort, die das Haus am Turmhof zum Jankel Adler-(Forschungs-) Zentrum macht. Was Museumsdirektor Mönig nicht zuletzt mit Blick auf die Zukunft des Hauses wichtig ist: „Wir haben dann so viele Werke von Adler wie kein anderes Museum.“
Der Zuwachs umfasst mehr als 550 Werke, die für das gesamte künstlerische Schaffen von den frühen 1920er Jahren bis hinein in seine Exilzeit stehen. 548 Grafiken und vier Gemälde, darunter „Große Figurengruppe“ von 1944: Sechs weitgehend abstrahierte Personen, die er verschachtelt und collagenartig mit Öl auf großer Leinwand (1,55 mal 1,76 Meter) anordnet. Sinnbild für seine Auseinandersetzung mit dem Menschen und seinem Verlorensein, mit der Metamorphose des Körpers. Im Vergleich mit den kleinen Radierungen „Heimkehr II.“, die er zwischen 1938 und 1943 schuf, sowie „Der Besuch“ aus dem Jahr 1925 entsteht ein kleiner Überblick über verschiedene Schaffensphasen, werden Unterschiede im Vorgehen, im expressionistisch-kubistisch und surrealistisch geprägten Stil deutlich. Die drei Bilder wie auch die anderen kommen überwiegend aus dem Nachlass des Künstlers nach Wuppertal. Bezahlt haben den Ankauf die Von der Heydt-Stiftung, das Ministerium für Kultur und Wissenschaft NRW, die Kulturstiftung der Länder sowie ein Spender.
Wiedergutmachung an einem Geächteten und Vergessenen
In Wuppertal treffen sie auf einen wertvollen Bestand mit fünf Gemälden (darunter das bekannte Bildnis von Else Lasker-Schüler, das 1937 als „entartet“ beschlagnahmt und 1986 vom Museum zurückgekauft wurde), einigen Arbeiten auf Papier sowie einem Archiv, das Nina Adler, die Tochter des Künstlers, 1991 dem Museum vermachte.
Jankel Adler und das Wuppertal mit Elberfeld und Barmen verbindet eine lange Geschichte. 1914 siedelte er nach Deutschland über, wohnte zunächst bei seiner Schwester in Barmen, studierte ab 1916 an der Kunstgewerbeschule in der Malklasse bei Gustav Wiethüchter. In den 20er Jahren stellte er sowohl in Barmen als auch in Elberfeld aus, zog 1922 nach Düsseldorf. Er beteiligte sich an der Avantgarde-Gruppe „Das neue Rheinland“, „brachte osteuropäische und jüdisch-chassidische Impulse ins Bergische und ins Rheinland und erhielt hier Impulse“, so Mönig. Die Nationalsozialisten unterbrachen den Lebensweg. Adler floh nach Frankreich, meldete sich 1939 freiwillig zu den polnischen Streitkräften, ging später ins Exil nach Großbritannien. Kreierte ab 1941 herausragende Werke, mit dem er jüngere Künstler (wie Francis Bacon) nach dem Krieg beeinflusste. Deutschen Boden betrat Adler nie wieder. Er starb 1949 mit nur 53 Jahren.
In Wuppertal fand 1955 eine erste Würdigung statt, ein kleines Ausstellungsheft erinnert im Von der Heydt-Museum daran. 1985/1986 leisteten die Düsseldorfer Wiedergutmachung mit einer großen Ausstellung, die den Künstler isoliert betrachtete, bevor 2018 wieder Wuppertal an den Start ging und schon im Titel „Jankel Adler und die Avantgarde Chagall, Dix, Klee und Picasso“ klarmachte, in welcher Liga Adler eigentlich gespielt hatte. Hier auch vernetzt war. Mönig: „Wenn man Adler aus seinem Kontext heraus verstehen will, ist das Von der Heydt-Museum prädestiniert, weil es den Kontext besitzt.“
Gleichwohl ist der Beschäftigung mit Adlers Werk eine Grenze gesetzt, weil viele, vor allem frühe Werke unwiederbringlich verloren sind: „Sein Werk wurde gleich zweimal auseinandergerissen“, bedauert Adler-Expertin Antje Birthälmer, die die Schau 2018 kuratierte. Einmal durch die Verfolgung im Dritten Reich und dann durch den frühen Tod. Ein Werkverzeichnis, der Kontakt mit dem Sohn des Nachlassverwalters, das Wissen um einzelne verstreute Werke in Polen oder Israel ändern daran wenig.
Das neue Konvolut ist nun Forschungsobjekt für die Ukrainerin Kateryna Kostiuchenko. Die 29-jährige Kunsthistorikerin bereitet seit Juli als Volontärin die Kunstwerke wissenschaftlich auf. Damit sie 2022 im Rahmen einer Ausstellung der Öffentlichkeit gezeigt werden können. Mönig: „Wir sind schon ganz gespannt auf die Ergebnisse der Forschung und freuen uns auf Überraschungen.“