Schlagabtausch in der Theaterkantine

„Die Unkündbaren“ und der Blick hinter die Kulissen: Sophie Basse und Lutz Wessel brillieren im Kleinen Schauspielhaus.

Wuppertal. Schon die Idee ist brillant: Zwei Schauspieler, die am Ende der Saison tatsächlich das Ensemble verlassen, verkörpern zwei Schauspieler, die in der Kantine auf ihre letzten Einsatz warten.

Was mag da wohl herauskommen? Eine Realsatire im kurzen Anlauf? Eine schnelle Abrechnung mit all jenen, die die Sparschrauben der Wuppertaler Bühnen immer fester anziehen? Oder gar ein ausgedehnter Spaß-Marathon mit Blick auf den eigenen Berufsstand? Es ist auf jeden Fall ein Schnelldurchlauf, der es in sich hat — kurz gesagt: ein höchst vergnüglicher Abend.

Denn während Kollegen an anderen Bühnen darauf warten mögen, dass die Intendanten sie mit einer letzten großen Rolle ehren, nehmen Sophie Basse und Lutz Wessel das Zepter selbst in die Hand. Wobei der Titel für sich spricht: „Die Unkündbaren“ nennen die (Noch-)Ensemblemitglieder ihr heiter-melancholisches Kammerspiel, das sie zusammen mit der Regisseurin Claudia Schulz entwickeln haben. Eindeutig zweideutig ist auch dieser Einruf zu verstehen: „Bitte für das Ende bereithalten!“, warnt die Stimme vom Band — kurios komisch wirken die Einspielungen des nicht sichtbaren Inspizienten, die bei der Premiere für die ersten Lacher im Publikum sorgten.

Doch das ist erst der Anfang: Wenn Basse und Wessel mit Dialekten, Tonlagen und Rollen spielen, sich die Warterei in der tristen Kantine mit Spielszenen — als Romeo und Julia, Dorfrichter Adam oder gar James Bond — vertreiben, es sächseln lassen, in bestes Berlinerisch übergehen oder sich auf Österreichisch die Bonmots, wahlweise auch die Beschimpfungen um die Ohren werfen, kommen sie so richtig in Fahrt. Dass das Duo sich selbst, am Ende aber auch einer ganzen Gilde den Spiegel vorhält, ist von Anfang an klar. Gelangweilt, ernüchtert und doch auch schelmisch sitzen die Darsteller da.

Zwischen angesägten Tischen, in einer trostlosen Kulisse und in Reichweite eines Kühlschranks, aus dem sie hochprozentige Überraschungen — flüssige Motivationshilfen in Form von gefüllten Biergläsern — zaubern, warten sie auf ihre finale Vorstellung. Am Ende streifen sie ein Giraffen-Kostüm über und gehen ohne letzte Pointe ab — ein unwürdiger Abschied, den Basse und Wessel grandios spielen, weil ihre Figuren trotz allem Würde bewahren.

Überhaupt übertreiben sie es nie, auch wenn sie im Grunde genommen Typen verkörpern. Da gibt es den Regisseur, der „Biedermann und die Brandstifter“ — ohne Rücksicht auf den Text und gegen den Willen seiner Darsteller — ins Drogenmilieu verlegt: „Kinder, ihr müsst einfach ein bisschen offener sein!“ Da gibt es die Schauspielerin, die überdreht, überfordert und deshalb auch am Rande eines Nervenszusammenbruchs ist: „Das ist die 18. Produktion in dieser Spielzeit!“

Und da gibt es die echte Regisseurin Claudia Schulz, die das Ganze betont ungerührt mitmacht und in einer Szene selbst mitspielt — wobei deutlich zu spüren ist, wer hier Schauspiel-Profi ist und wer nicht. Es wäre besser, das spielfreudige Duo übernähme in seinem furiosen Rollenwechsel auch diesen Part.

Apropos: Der losen Szenenfolge fehlt mitunter der rote Faden. Und dem rasant gestarteten Schlagabtausch geht zwischendurch auch die Luft aus. Eines bleibt jedoch konstant: die schauspielerische Qualität. Denn so passend wie Thema und Titel ist auch die Umsetzung: Wie nahtlos vor allem Sophie Basse von einem Gefühlstaumel zum anderen springt, ist genauso famos wie faszinierend. Am Ende rechnen die „Unkündbaren“ nicht explizit mit der Wuppertaler Politik oder dem Publikum ab, sondern unterstreichen mit wunderbarer Wandelbarkeit die eigene Existenzberechtigung. So gelingt ihnen ein Spagat zwischen Selbstironie, Situationskomik und Seitenhieben. Ihre Mischung aus Witz und Wehmut ist eine zugespitzte Selbstreflexion, bei der die Zuschauer nie wissen: Was ist Theater, was Realität? Wer nicht bedauert, dass diese beiden das Ensemble verlassen, hat „Die Unkündbaren“ nicht live erlebt.