Stuhl für Stuhl: In der Barmer Oper werden Wünsche Wirklichkeit

Das neue Kulturzentrum nimmt Formen an – mit Bewirtung und Vorplatz.

Wuppertal. "Ein Traum nimmt Gestalt an." Noch braucht es reichlich Fantasie, um sich vorstellen zu können, wie sich 780 Operngäste in goldgelben Sesseln verzückt zurücklehnen und "Die Zauberflöte" genießen. Noch steht er nämlich ganz alleine da. Enno Schaarwächter, Geschäftsführer der Wuppertaler Bühnen, verharrt aber nicht nur im leeren Zuschauerraum und träumt.

Wenig später sitzt er auch und lässt reale Fakten sprechen. Das (Farb-)Geheimnis wird damit gelüftet: Goldgelb ist der neue Sessel, auf dem Schaarwächter probehalber Platz nimmt. Der erste neue Stuhl hat es also ins Opernhaus geschafft, bis zum Ende der Sanierung werden 779 weitere folgen.

Und auch wenn derzeit noch keine Opernsänger, sondern "nur" Handwerker den Ton angeben, weiß Schaarwächter bereits, wo ab Januar 2009 die Musik spielt - nicht nur im Orchestergraben, sondern vor allem auch im neuen Gastronomiebereich. Einen Tag, bevor der begeisterte Seemann privat die Segel setzte, war er auch im Namen der Wuppertaler Bühnen zu neuen Ufern aufgebrochen:

Kurz vor dem Start in die Sommerpause - in den Familienurlaub auf der Nordsee - holte der Geschäftsführer auch in Barmen die nötigen Partner ins Boot. Wer künftig dafür sorgen wird, dass Zuschauer zwischen mehreren Akten nicht auf dem Trockenen sitzen, steht also fest: "Mit den Besitzern des ,Tafelspitz’ in Langerfeld haben wir die richtigen Pächter gefunden", sagt Schaarwächter, kaum dass die Tinte unter dem Vertrag getrocknet ist.

Die neuen Küchen-Regisseure sind nicht nur einfache Mieter, sondern demnächst im doppelten Einsatz. Sie sollen nicht nur die Künstler in der Kantine kulinarisch bei Laune halten, sondern auch Hungersnöte auf der anderen Seite verhindern.

Dabei verfolgen die Bühnen mit einem neuen Durchgang buchstäblich verbindende Absichten: Vom Erfrischungsraum führt bald eine Treppe hinunter ins Restaurant, wo es zusätzliche Durstlöscher gibt. Das soll Nerven schonen und die Wartezeit im Erfrischungsraum verkürzen. Dort herrschte bislang mitunter mehr Platzangst als Bewegungsfreiheit.

Apropos Zeit: Schaarwächter zählt längst rückwärts - in Vorfreude auf den 18. Januar, an dem die neue Oper-Ära beginnt. "Wir sind im Zeitplan", sagt der Geschäftsführer, der froh ist, dass die Abstimmung mit dem Denkmalschutz "problemlos" war. Seit Dezember 2003 ist das Gebäude für Publikum geschlossen. Im Oktober 2006 wurde die Baustelle offiziell eröffnet.

Was damals noch niemand ahnte, spielt nun ebenfalls eine Rolle: Der Container, der vor einem Jahr vor dem Schauspielhaus platziert wurde, um Theater zu machen, das junges Publikum vor und auf die Bühne zieht, läuft so gut, dass auch er umziehen darf. Er findet auf der Rückseite der Oper eine neue Heimat - mit Blick auf den Barmer Bahnhof.

Bis alle Pläne Wirklichkeit werden, ist allerdings die Kraft der Fantasie gefragt. Noch ragen aus den Decken so viele offene Rohre und Kabel, dass man damit ganze Raumschiffe versorgen könnten: Der Planet Oper ist eine einzige Baustelle. Am Ende sollen sich Brandschutzmaßnahmen, die Umgestaltung von Saal und Foyer, die neue Bewirtung und der Ausbau des Orchestergrabens jedoch auszahlen: 23 Millionen Euro kostet die Sanierung des Gebäudes, in dem es demnächst einen Behindertenaufzug, aber nicht mehr das alt bekannte Raucherfoyer gibt - sondern stattdessen einen Veranstaltungsraum, der Clubatmosphäre entfalten soll und vom Treppenhaus separat erreichbar ist.

Schaarwächter träumt weiter - hauptsächlich vom Vorplatzcharakter, der entstehen soll, wenn die neue Pflasterung erst einmal fertig ist und Zuschauer im Freien Platz nehmen können, um sich im neuen Gastronomie-Bereich mit Sekt oder Selters auf Sciarrini oder Shakespeare einzustimmen.

"Wir stehen auch in engem Kontakt mit dem Von der Heydt-Museum", so Schaarwächter. "Im Engelsgarten könnte man Kunst-Performances anbieten." Damit ein großer Traum Wirklichkeit wird: "Die Oper soll Barmens neues Kulturzentrum werden."