Kirchenmusik 1: „Kinder singen wieder gerne im Chor“
Manches befindet sich in der Krise, gleichzeitig werden neue Wege entdeckt. Die WZ-Serie "Kirchenmusik in Wuppertal" fragt nach.
Wuppertal. Was wäre ein Gottesdienst, eine Hochzeit oder Beerdigung ohne Orgelspiel? Doch die Kirchenmusik hat längst nicht mehr den Stellenwert, den sie einmal hatte. Besonders auf evangelischer Seite herrscht seit Jahren ein großer Schwund. Hatte in den 60er Jahren noch jede Kirche selbstverständlich ihren Kirchenmusiker, wurden in den vergangenen Jahren in Wuppertal rund ein Duzend Stellen gestrichen.
Übrig geblieben sind derzeit nur noch drei Vollzeitstellen für Musiker mit einem B-Examen. Es gibt keine einzige Stelle mehr für einen A-Kantor. Selbst die Wupperfelder Kirche, in den 80er Jahren überregional bekannt für ihr reges Kirchenmusikleben, besitzt keine volle Stelle mehr. Es musste gespart werden, und durch die basisdemokratische Ausrichtung kann oder muss jede evangelische Kirchengemeinde eigenständig entscheiden, wo sie kürzt.
Ein Ende ist nicht abzusehen: Hochrechnungen gehen davon aus, dass bis 2030 ein weiteres Drittel der heutigen evangelischen Gemeindemitglieder wegfallen wird - und damit die entsprechende Kirchensteuer. Als Lösung gründen Chöre und Musikgruppen vielerorts Trägervereine. "Aber wie kann sich eine Kirchengemeinde mit der Kirchenmusik identifizieren, wenn sie abgekoppelt wird?", fragt Kreiskantor Achim Maertins.
Schließlich kann ein breites kirchenmusikalisches Angebot mit einem charismatischen Musiker auch junge Leute in die Kirche holen. "Dafür braucht man aber eine professionelle Leitung der Chöre und jemanden, der alles in der Hand hat", betont Kirchenmusiker Matthias Lotzmann.
Viel zu häufig seien Chöre und Instrumentalgruppen heute aufgesplittert, von Honorarkräften oder ehrenamtlich geleitet.Gerade Kinder bleiben aber eher in der Gemeinde, wenn sie mit einem Dirigenten vom Kinder- in den Jugend- und später in den Erwachsenenchor wechseln können.
Dabei ist das Interesse durchaus da: "Kinder singen wieder gerne im Chor", lautet die Erkenntnis von Erhard Ufermann. Der Theologe leitet das neu geschaffene Referat Kultur und Musik des Kirchenkreises Wuppertal, das die derzeitige Krise der Kirchenmusik auffangen soll. Ein weiteres Problem ist der Nachwuchs an der Orgel. Ohne das Vorbild fähiger Kirchenmusiker und ihren Unterricht kommen junge Leute nicht auf die Idee, Orgel zu lernen.
Zudem gibt es auch für C-Musiker, die immerhin eine zweijährige umfangreiche Ausbildung absolvieren, nur wenige Stellen. Den Orgeldienst am Sonntag versehen oft Honorarkräfte mit Befähigungsnachweis.
Ganz anders ist hingegen die Situation auf katholischer Seite: Dort gibt es acht hauptamtliche Stellen für Kirchenmusiker, drei davon sind A-Kantoren. Bei den Katholiken allerdings werden die Kantorenstellen zentral vergeben, ohne direkte Einflussmöglichkeit der Gemeinden. Dort spielt auch die musikalische Gestaltung der Gottesdienste eine größere Rolle.
Während Kantaten und Oratorien in evangelischen Kirchen meist als Konzert dargeboten werden, finden diese Werke bei den Katholiken häufig Eingang in Festgottesdienste. Zudem haben die katholischen Kantoren aufgrund der höheren Gottesdienst-Dichte deutlich mehr Dienst an der Orgel.