Kunst Tanzfilm sprengt die Grenzen des reellen Raums
Wuppertal · „Malou & Dominique“ ist ein ganz besonderes Werk – bekannte Pina Bausch-Tänzer loten den Raum zwischen sich und der Welt aus.
Sie sind vielen Wuppertalern seit Jahren gut bekannt, für Fans des Tanztheaters Pina Bausch ein fester Begriff. Nun können sie Malou Airaudo und Dominique Mercy, die von Anfang an zum Ensemble der großen Choreographin gehörten, auf eine neue, bühnenferne und privatere Art und Weise kennenlernen. „Malou & Dominique“ heißt der aus einzelnen Sequenzen bestehende Tanzfilm, der die Grenzen des realen Raums sprengt. Der Tänzer und Choreograph Mark Sieczkarek und der Videokünstler Kai Fobbe leben und arbeiten in Wuppertal, die Produktion ist ihre jüngste Kooperation.
Der Schotte Marc Sieczkarek kennt die Franzosen, Malou Airaudo und Dominique Mercy, seit vielen Jahren, hat auch schon Projekte mit ihnen gemacht, war selbst Tänzer bei Pina Bausch. Weil die beiden sehr beschäftigt seien, bediente er sich diesmal des Mediums Film. Mit Kai Fobbe holte er sich einen Experten an die Seite, den er aus Underground-Produktionen des Tanztheaters und durch einen ersten gemeinsamen Film im letzten Jahr kannte. Neun Tage zog sich das insgesamt sechsköpfige Team im August in die Riedelhallen zurück – „wir begannen bei Null, haben Ideen ausprobiert und sofort gedreht“, erinnert Sieczkarek, der nur Bühnenbild und Kostüme vorgab. Was für den Kameramann Fobbe, der normalerweise mit einem Konzept an die Arbeit geht, ein Abenteuer war, war für die erfahrenen Pina Bausch-Tänzer vertrautes Vorgehen. Aufgezeichnet wurden Szenen zwischen Fantasie und Realität, Nähe und Distanz, Begegnung und Trennung. Über 20 Stunden Filmmaterial kamen zusammen, die Sieczkarek in wochenlanger Arbeit sichtete. Während ihm beim Umgang mit den Film-Fragmenten die Nähe zu Pina Bauschs Bühnen-Arbeit auffiel, fragte sich der Filmemacher Fobbe zunächst, wie aus dem „schönen Material“ etwas werden sollte und wurde nach drei Wochen positiv überrascht: „Es gehörte alles wunderbar zusammen.“
Der Tanzfilm ist an 15 Bahnhöfen in Nordrhein-Westfalen zu sehen
„Malou & Dominique“ ist ein Spiel zwischen Tanz-Raum, öffentlichem Raum und virtuellem Raum. Dafür sorgte Fobbe, der seit zehn Jahren Videoprojektionen im öffentlichen Raum realisiert und seit ein paar Jahren verfolgt, wie Kunst-Ausstellungen zunehmend den virtuellen Raum, meist als 3D-Objekte, einbeziehen. Einerseits sei der digitale Raum öffentlich zugänglich und eine Möglichkeit, die Begrenztheit der Bühne zu sprengen, erklärt er. Andererseits „werden Theater und Museum nicht von jedem begangen, aus Scheu oder aus finanziellen Gründen“. Der öffentliche Ort Bahnhof wiederum sei ein toller Dreh- und Angelpunkt für viele Menschen, die dort zudem Wartezeit verbringen.
Also kann der Tanzfilm „Malou & Dominique“ nun an 15 verschiedenen Bahnhöfen in NRW mit dem Smartphone (siehe Kasten) abgerufen werden. Dabei bleibt der Film noch zweidimensional, legt sich wie eine weitere Ebene über den realen Raum – in Wuppertal sind dies, abhängig vom Netzempfang, die Vorhalle oder der Gleisbereich des Hauptbahnhofs. Fobbe: „Im Netz sind Filme weltweit zu sehen, wir nehmen dies auf, begrenzen es aber, indem man an einem bestimmten Ort sein muss.“ Der Nutzer kann zwischen acht drei- bis vier Minuten langen Filmen, Gesamtclip oder Ausschnitt einer längeren Frequenz, wählen.
Sieczkarek hofft, mit dem Angebot auch ein neues Publikum zu erreichen, das nicht ins Tanztheater geht, aber gerne Musikvideos anschaut, die ebenfalls drei Minuten Länge haben. „Es ist der Versuch, Interesse für eine andere Art Videos zu wecken“, erklärt er und schwärmt zugleich für die beiden Tänzer, die „auch mit 70 Jahren tiefe, starke Darsteller sind, keine perfekten Tänzer, aber Schöpfer einer anderen Art von Schönheit, die Poesie und Humor verbindet“. Die hat der Film eingefangen. Ein Film, den Sieczkarek gerne auch im Kino sähe. Ein Termin in einem Düsseldorfer Kino im Februar steht schon fest. Für weitere müssten Verleiher gefunden und Promotion finanziert werden. Für Fobbe ist deshalb seine Augmented-Reality-Ausstellung wichtiger, die Bestandteil des Krefelder Move-Tanzfestivals gewesen sei.
Das Projekt ist abgeschlossen, das Ergebnis erlebbar. Der eingeschlagene Weg sei der richtige, eine weitere Zusammenarbeit wahrscheinlich: „Wir sind ein gutes Team“, sagen beide.