Tanztheater zwischen Altar und Grab: „Viktor“ ist zurück – und ewig grüßt der Tod
Ein Frühwerk begeisterte im Schauspielhaus: Das Ensemble von Pina Bausch tanzte mit zwei Schafen und vier Hunden.
<strong>Wuppertal. Zum Ersten, zum Zweiten, zum Dritten: Pina Bausch lässt im Schauspielhaus Hunde versteigern. Ein tierischer Akt, der allzu Menschliches zeigt. Schließlich setzt ihr Stück "Viktor" auch nach 21 Jahren noch Phantasien frei. Und wenn ihre Tänzer mit Verlockungen, Sehnsüchten und Träumen konfrontiert werden, geht es natürlich nicht nur um das Schicksal von 16 Pfoten, sondern um Wohl und Wehe der ganzen Menschheit.
Es geht um Frauen wie Männer, die käuflich sind oder einkaufen wollen, Hunde oder körperliche Reize zu Markte tragen, dem Publikum Postkarten oder den Mittänzern sich selbst anbieten. Willkommen im (Konsum-)Club: Das ganze Leben ist ein Parkett der Eitelkeiten, und das Wuppertaler Ensemble steht nicht tatenlos daneben, sondern tanzt mit Tieren, Charme und Spagetti voran.
Egal, ob im Café oder Auktionshaus: Mit großer Symbolik spielen sich kleine Szenen vor einem drohend hohen Erdhang ab, mit dem Peter Pabst die Bühne umzäunt hat. Wie ein Totengräber steht ein Mann auf der Grube und zückt den Spaten. Leise rieselt die Erde, ewig grüßt der Tod.
Wie nah Übermut und Melancholie, Leben und Sterben beieinander liegen, lehrt Pina Bausch regelmäßig - in ihrem Frühwerk besonders sinnbildlich. Zur Qualität gehört in diesem Fall auch Quantität: An vier Abenden begeisterten 29 Tänzer - ganz zu schweigen von den zwei Schafen und vier Hunden, die die Wiederaufnahme von "Viktor" zu einem tierischen Erlebnis machten.
Die Koproduktion mit dem Teatro di Roma spielt mit der schleichenden Angst vor dem Alter, die in der Figur eines Greisen mit Gehstock allgegenwärtig ist, genauso wie mit den Geschlechterrollen - auch Männer schminken sich. Kaufen und gekauft werden, fressen und gefressen werden: Die Gratwanderung zwischen Tristesse und Heiterkeit untermalen toskanische Volkstöne, russische Walzer und New-Orleans-Musik.
Sagen wir es so: Niemand setzt die Welt als ewige Spirale aus Hoffnungen und Sehnsüchten so großartig in Szene wie Pina Bausch. Hunde eingeschlossen.