Terror, Takt und Tanz beim Sinfoniekonzert

Stadthalle: Die Sinfoniker spielten am Sonntag mit Aleksander Madzar. Orchester und Pianist präsentierten ein russisches Programm.

Wuppertal. Russisch ging es zu beim 9. Sinfoniekonzert in der Stadthalle, aber folkloristische Fröhlichkeit stand am Sonntag nicht auf dem Programm.

Sergej Rachmaninows zweites Klavierkonzert in c-Moll (op.18) lebt von monothematischen Zügen, die Einheit schaffen. Umso stärker sollten die Charakteristika der drei Sätze herausgestellt sein. Das gelingt dem Orchester unter Toshiyuki Kamiokas Leitung.

Vom Klavierpart aber wünschte man sich individuellere Interpretationsansätze. Dabei ist Aleksander Madzar ein durchaus virtuoser Pianist. Den ersten Satz legt er klangverschmelzend mit dem Orchester an, er folgt den gewaltigen Steigerungen mit füllenden Arpeggien ebenbürtig. Sehr breit romantisch ist das berückend schöne Thema des "Adagio" genommen, um den inneren Zusammenhalt aber muss man fast fürchten.

Im Finale wirken die kraftvollen Akkorde und raschen Läufe durch die Klaviatur unstrukturiert und allzu gleichförmig. Spannungsverluste in langsamen Piano-Passagen sind programmiert. Dennoch finden Pianist und Orchester einen gemeinsamen Nenner und bringen das bekannte Werk letzten Endes recht schlüssig über die Bühne.

Dmitrij Schostakowitschs 10.Sinfonie in e-Moll (op. 93) entstand im Sommer und Herbst 1953. Nach Stalins Tod im März des Jahres wagte der Komponist, der unter der Diktatur gelitten hatte, dem "Chaos statt Musik" vorgeworfen wurde und der sich mit zusammengebissenen Zähnen dem Geschmack der Kulturfunktionäre beugen musste, ein fratzenhaftes Porträt Stalins im zweiten Satz zu zeichnen: Das klingt brutal, in heftigen Akkordschlägen, mit rhythmisch-treibender Snare-Drum und schrägen Streicherwinden.

Gewaltig trumpft das Blech in markanten Halbtonschritten auf, "spitz" säuseln die Violinen in dissonanten und chromatischen Abwärtsfiguren. Erst der dritte Satz das "Allegretto" bringt ruhige Motive, suggestive Hornsignale und auch wieder das aus seinen Initialen abgeleitete Vierton-Motiv D-Es-C-H ("Jetzt nach der Zeit des Terrors spreche ich wieder mit meiner eigenen Stimme"). Doch ein Tanz-Rhythmus kann sich nicht recht durchsetzen, scheint übertrieben, wird fremd, gleitet ab.

Großartig präzise reagieren die Instrumentalisten des Orchesters, viele in hervorgehobenen Positionen - etwa die Holzbläser in vielen solistischen Rollen im Finalsatz. Idyllisch bläst die Oboe ihr versöhnliches Thema, doch machtvolles Rauschen wächst wieder zum aggressiven Klangbild. Selbst das Jubelfinale klingt gequält und kann die Krise nicht endgültig vertreiben, nur abrupt beenden. Das Orchester lässt den gewaltigen Höreindruck jedoch nicht so eindrucksvoll stehen und setzt eine heitere Tanz-weise als Zugabe drauf.