Vom Absurden zur Liebe: Wuppertal feiert Camus
Anne-Kathrin Reif spricht über den Philosophen, der 100 Jahre alt geworden wäre.
Wuppertal. Es ist ihr eine echte Herzensangelegenheit: Anne-Kathrin Reif hat eine Veranstaltungsreihe mitorganisiert, die Albert Camus feiert. Die Wuppertalerin ist Kulturredakteurin beim Remscheider General-Anzeiger — und hat gerade erst ein Buch über Albert Camus geschrieben („Vom Absurden zur Liebe“). Vorstellen wird sie es am 18. November im Literaturhaus.
Frau Reif, am 7. November wäre der Philosoph und Schriftsteller Albert Camus 100 Jahre alt geworden. Was schätzen Sie an seinem Werk? Und was hat es uns heute noch zu sagen?
Anne-Kathrin Reif: Albert Camus war der letzte Philosoph, der sich getraut hat, die Sinnfrage zu stellen. Ich finde, seine Beschreibung der menschlichen Situation, die sich in dem Begriff des Absurden zusammenfassen lässt, trifft bis heute unverändert den Kern — auch wenn sich die Zeitumstände geändert haben. Wie kann man angesichts all der Widrigkeiten und unauflöslichen Fraglichkeiten des Lebens dennoch glücklich werden? Diese Frage treibt uns doch letztlich alle um. Persönlich schätze ich auch die Art und Weise, wie Camus sich dieser Fragen annimmt — in einer wunderbaren Sprache, die Philosophie und Literatur untrennbar miteinander verbindet.
Wuppertal feiert Albert Camus mit verschiedenen Veranstaltungen. Was darf man genau erwarten?
Reif: Da ist zunächst eine Sonderausgabe in Mark Tykwers Filmreihe „Movie in Motion“ am 7. November. Gezeigt wird die Verfilmung von Camus’ berühmtem Roman „Der Fremde“ von Luchino Visconti aus dem Jahr 1967 mit Marcello Mastroianni. Das Besondere daran ist, dass der Film praktisch von der Bildfläche verschwunden ist. Er ist zurzeit weltweit ohne Verleih, und Mark Tykwer ist im Besitz einer der letzten Filmrollen der deutsch-synchronisierten Fassung. Eine echte Rarität. Dazu werde ich eine kurze Einführung halten.
Auch die Aufführung der „Suite Camus“ am 14. November im Café Ada ist etwas Besonderes. Inwiefern?
Reif: Die „Suite Camus“ ist ein Projekt, das vom Goethe-Institut Paris zum Camus-Geburtstag in Auftrag gegeben wurde und das bislang nur in Paris und New York zu erleben war. Die Aufführung in Wuppertal ist die zweite und vorerst letzte in ganz Deutschland. Ich freue mich wirklich sehr, dass es Uli Armbruster und mir gelungen ist, die Aufführung hierher zu holen — zumal sie nicht nur das an Camus interessierte Publikum ansprechen dürfte, sondern auch die hiesigen Jazz-Freunde. Es handelt sich nämlich um ein Projekt, das Musik, Videoprojektion und Text verbindet. Realisiert wurde es von erstklassigen Musikern und Künstlern aus Algerien, Deutschland und Frankreich.
Können Sie noch etwas mehr zum Inhalt der „Suite Camus“ sagen?
Reif: Der deutsche Musiker und Wahl-New Yorker Andreas Arnold hat zu den zehn „Lieblingswörtern“ von Camus, die zugleich Schlüsselbegriffe für sein Werk sind, Stücke komponiert, in denen Elemente von Jazz, Flamenco und elektronischer Musik verschmelzen, und die von einem Quartett live aufgeführt werden. Die algerischen Künstler Hassen Ferhani und Katia Kameli haben dazu in Camus’ Heimat Algerien Videosequenzen gedreht, die an von Camus geliebte Orte wie die römischen Ruinenstädte Tipasa und Djemila führen, die aber auch ein ehrliches Bild vom Algerien der Gegenwart zeichnen. Und in den Textpassagen kommt Camus natürlich selbst zu Wort. Ganz besonders freue ich mich darüber, dass der großartige junge Schauspieler Martin Bretschneider die Texte in Wuppertal lesen wird. Im Bochumer Theater an der Rottstraße gibt er gerade einen phantastischen Caligula in Camus’ gleichnamigem Drama.