Theater am Engelsgarten „Warten auf Godot“: Die Heiterkeit im Nihilismus
Nicht zu konkret werden: Volker Schmalöer zeigt „Warten auf Godot“ ohne den berühmten Baum, dafür aber mit viel Wasser.
Wuppertal. Auch beim „Song Contest“ am Samstagabend setzte ja mancher Beitrag auf Wasser in der Show — aber bei „Godot“ gab es das zeitgleich überzeugender: „Warten auf Godot“ überraschte im Theater am Engelsgarten mit einer Premiere, die ganz von nassen Element bestimmt war. Kein Vergleich sonst mit Kiew — denn die Inszenierung von Volker Schmalöer gab Samuel Becketts Klassiker souverän ein neues Gesicht und fand dabei auch Heiterkeit im Nihilismus.
Wasser also bildet heute die Spielfläche fürs Ensemble, das so auch körperlich ungewöhnlich gefordert ist. Erkennen mag man das erst auf den zweiten Blick — aber doch als Estragon die Bühne betritt, besser: mit dem Fuß eintaucht. Die Eingangsszene bietet auch gleich einen schönen Eindruck vom großen Thema Zeit: Die nämlich lässt Alexander Peiler hier ganz langsam vergehen im minutenlang stummen Spiel, zu dem sich bald Stefan Walz als Wladimir gesellt und still mit Holzpaletten hantiert.
Schon hier zeigte sich aber: Die feuchte Setzung prägt das Stück. Ein Godot-Bühnenbild „reduziert“ zu nennen, wäre eigentlich immer eher schräg, denn bei Becketts Werk zum Nichts wäre wohl eher erstaunlich, es einmal nicht-reduziert zu erleben. Doch die wenigen Elemente sind umso ikonischer — und Regie und Bühne (Michael Lindner) realisieren sie einfallsreich.
Zwei Narren, ein Herr und ein Knecht — die Handlung bekommt heute ihren Akzent durch ungewöhnliche Entscheidungen: Neben besagtem Untergrund betrifft das den berühmten Baum, denn ein solcher ist heute partout nicht zu erspähen auf der Bühne. Die Figuren wähnen ihn vor sich, weisen in den Zuschauerraum.
Nicht zu konkret zu werden: Das passt zum Regiekonzept, das Regisseur Schmalöer im Vorfeld angedeutet hatte. Allzu forciert fand er da manche Lesart, die alles eindeutig verorten will — da wird der Baum gemeint sein, aber auch das Warten selbst.
Zeitverlust und Tod sind freilich Themen, die auch in seiner Inszenierung wichtig sind. Und statt bemühter Aktualisierung sorgt nun die Ausstattung dafür, die zeitlosen Aspekte zu unterstreichen.
Es sind ja doch Kämpfe, die die zwei Freunde auszutragen haben — weniger gegen einander, aber schon beginnend mit Estragons berühmtem Versuch, sich die Schuhe auszuziehen: Klitschnass wird das eben zur Herausforderung.
Auch beim zweiten Paar des Abends hat das seine Bedeutung: Lucky, der meist stumme Diener, erfährt neben vielen anderen heute eine weitere Demütigung, als sein Hut aus dem Wasser gefischt und ihm triefend auf den Kopf gepresst wird. Seinen Herrn Pozzo spielt Miko Greza überzeugend mit einem Schuss Nonchalance, die letztlich umso brutaler ist — denn die Zügel behält er ja doch in der Hand.
Den Lucky gibt Lukas Mundas schmerzhaft regungslos — bis auf seinen Monolog, der heute auch Seitenhieb auf die heutige Entertainment-Branche ist: Da bricht es gewaltig aus dem bleichen Knecht heraus, bis er zusammenbricht. Heißt natürlich: in die Flut.
Hier landet denn so ziemlich jeder heute mindestens einmal. Da freilich zeigt sich ein anderer Effekt des Wasser-Einfalls: Da alle nass werden, gibt es weniger Gefälle. Despot Pozzo vegetiert nach der Pause sogar lange, endlos wirkende Minuten darin; die Last des Elements betrifft alle. Wladimir und Estragon nehmen’s indes mit Humor: „Was spielen?“ „Mich anschnauzen!“ „Blödmann!“ So geht es hin und her, quer watend und schimpfend — aber doch spielerisch. Denn das bleibt wichtiges Prinzip des Stücks: Es mag ja sein, dass nichts einen Sinn hat — aber daraus machen wir etwas.