„Warten auf Pina“: Jo Ann Endicott schreibt über das Tanztheater
JoAnnEndicott plaudert über sich und Pina Bausch. Ihr neues Buch ist eine Liebeserklärung an das Tanztheater.
Wuppertal. "Ich war sofort hin und weg. Verliebt." Nein, es war kein Mann, von dem Jo Ann Endicott auf Anhieb fasziniert war. Die zurückgebundenen Haare, langen Hände und großen Füße, von denen die Tänzerin noch heute im Rückblick schwärmt, gehörten einer Frau. Und was für einer: Als Endicott Pina Bausch 1973 im Dance Centre London traf, erlag sie sofort ihrem fesselnden Blick. "Ihre Aura reichte meilenweit."
36 Jahre später erinnert sich die gebürtige Australierin nur allzu gern an die Begegnung, die alles verändern sollte: Sie folgte Pina Bausch - meilenweit. Die Tanz-Ikone holte Endicott 1973 nach Wuppertal.
Über die Folgen spricht der Publikumsliebling munter, selbstironisch und ohne übertriebene Rücksichtnahme: Endicotts neues Buch ("Warten auf Pina") ist eine Liebeserklärung an ihren Beruf, das Wuppertaler Tanztheater und Pina Bausch. Und so ist die Lektüre nicht nur witzig und unterhaltsam, sondern vor allem aufschlussreich. Wer könnte auch mehr Geheimnisse ausplaudern als eine Pina-Bausch-Tänzerin der ersten Stunde?
Dass zu einem Leben in einem weltweit gefeierten Ensemble Momente des höchsten Glücks, aber auch tiefe Selbstzweifel gehören, weiß vermutlich niemand besser als Jo Ann Endicott, die sich selbst nicht als Star-Tänzerin bezeichnet, sondern als "eine Mischung aus Tänzerin, Darstellerin, Schauspielerin, Mensch, Mutter, Hausfrau und Putzfrau" empfindet. In der Auflistung fehlt das entscheidende Wort "Autorin" - als solche gewährt Endicott nun einen besonderen Blick hinter die Kulissen.
Publikationen über Pina Bausch gibt es reichlich. Aber wohl kaum eine ist mit so viel Humor gespickt wie diese. Endicott blickt nachsichtig auf das eigene Geschlecht ("Frauen sind wie Zucker: süß, aber raffiniert"), auf ihren geliebten Jack-Russell-Terrier ("er sieht aus wie eine kleine Kuh") und auf die direkte Wortwahl, mit der Pina Bausch die Künstlerin fragte, ob sie 2001 bei der Wiederaufnahme ihres Stückes "Komm tanz mit mir" auf der Bühne stehen wolle.
51 war Endicott, als ihr die Theater-Chefin am Telefon ohne Umschweife das Wesentliche mitteilte: "Natürlich musst du deine Haare lang wachsen lassen. Sei bitte auch nicht zu teuer." Nicht weniger bewegend schildert sie eine Szene nach der Premiere, als Pina Bausch ihre Zuneigung durch eine Umarmung und ein klares Lob ausdrückte: "Jo, du bist ein Weltwunder."
Endicott schwärmt von den Sonnenstunden am Tanztheater, spart aber auf 128 Seiten auch die Schattenseiten nicht aus: Alter, Arbeitslosigkeit und die Abhängigkeit von Choreographen gehören zum Leben einer Tänzerin wie der Applaus nach einer Vorstellung. Dazwischen liegt nicht selten eine Diät, wobei Endicott ein ganz persönliches Fazit zieht: "Wenn ich einen Sonntagsbraten mit allem Drum und Dran für die ganze Familie koche, dann will ich ihn auch essen. Die Quälerei macht alt."
Und was sagt sie über die Spitzen-Choreographin? Dass Pina Bausch eine scharfe Beobachtungsgabe hat, zu viel raucht und eine Nachtschwärmerin ist. Dass sie "keine Zeit" hat und "in Gedanken immer in ihrer Welt" ist. Dass sie nur hört und versteht, "was sie hören und verstehen will". Doch bei all dem gilt auch: "Ein Lächeln, und schon hat sie einen um den Finger gewickelt."
Das dürfte auch die Erklärung dafür sein, dass Endicott dem Tanztheater bis heute treu geblieben ist. Der Reiz am Rampenlicht ist jedenfalls nicht kleiner geworden. Im Gegenteil: "Ich spiele gerne unterschiedliche Figuren - große Damen, Vamps, ein Kind." Dabei ist der Rollenwechsel auch ein Spagat zwischen Privatleben und Künstleralltag: "Familie und Theaterberuf zu vereinen, ist fast unmöglich."
Aber eben nur "fast": Endicott hat das nahezu Unmögliche geschafft. Den Beweis gibt es jetzt schwarz auf weiß: Ihr druckfrisches Buch "Warten auf Pina - Aufzeichnungen einer Tänzerin" ist im Henschel Verlag erschienen, kostet 16,90 Euro und lässt ihre schönsten Rollen auf 60 Abbildungen Revue passieren.