„Wir haben unsere Freiheit genutzt“

Christian von Treskow zieht nach fünf Jahren als Schauspielchef Bilanz.

Foto: Wuppertaler Bühnen

Wuppertal. Für die Leiter der Sparten Oper und Schauspiel geht eine produktive Zeit in Wuppertal zu Ende. In fünf Jahren haben sie in kulturpolitisch turbulenter Zeit in mehr als 80 Produktionen 400 000 Zuschauer angelockt. Die WZ sprach mit dem scheidenden Schauspiel-Chef Christian von Treskow (45).

Herr von Treskow, gleich nach Beginn Ihrer Intendanz kam 2009 das Aus für das Schauspielhaus und 2013 auch für die kleine Spielstätte im Foyer. Wie sind Sie mit diesen Widrigkeiten umgegangen?

von Treskow: Das Damoklesschwert der Spartenschließung begleitete uns ja bis 2013, bevor die Sparkasse mit finanzieller Unterstützung eingesprungen ist. Natürlich war es belastend, dber das hatte auch eine gute Seite: Das Ensemble ist zusammengeschweißt worden und wir haben uns die Frage nach dem Sinn unseres Tuns immer wieder aufs Neue stellen müssen.

Sie haben neben „großem“ Theater auch Nischen bedient und Experimente gewagt. Es gab kein Theater nur zur seichten Unterhaltung. Bedurfte es großer Anstrengungen, sich selbst treu zu bleiben?

von Treskow: Nein, denn ich kann nur so Theater machen wie ich es mache. Ich bin ja mit drei Aufgaben in Wuppertal angetreten: Jüngeres Publikum zu locken, auf Migranten zuzugehen und das überregionale Renommee zu steigern. Das alles habe ich erreicht. Natürlich braucht es einen langen Atem für grundlegende Änderungen. 2012/13 war daher unsere beste Spielzeit: Das Konzept hat gezündet, es gab Vollbetrieb im Kleinen Haus, nur geringe Sparauflagen und ein umfangreiches Programm. Das änderte sich mit der Ensemble-Verkleinerung und der Schließung der Spielstätte.

Sie haben themenbezogen gearbeitet, also ein Thema, zum Beispiel „Die Macht des Geldes“ von vielen Seiten und Regisseuren beleuchten lassen. Würden Sie in Zukunft wieder so arbeiten?

von Treskow: Jederzeit. Das ist sehr interessant, virulente Themen länger auf den Spielplan zu halten — gerade in einer Stadt wie Wuppertal, die einen harten Überlebenskampf führt.

Sie stehen für Zeitgenossenschaft des Theaters. Wie wichtig war das in diesen fünf Jahren für die Wuppertaler?

von Treskow: In jedem Stoff sind Zeitbezüge. Die gilt es, inhaltlich herauszuarbeiten. Und auch formal passiert in der Kunst so viel, dass das Theater sich nicht verschließen kann. Es muss den Anschluss an den Diskurs halten und das Publikum daran teilhaben lassen.

Vor kurzem wurde bekannt, dass die Bühnen mit ihrer Produktion „JR“ zum Theatertreffen vom 13.-20. Juni nach Dortmund eingeladen sind. Ist das ein Bonbon für Sie nach den vielen Nackenschlägen?

von Treskow: Natürlich freuen Marcus Lobbes, der Regisseur, und ich uns sehr. Aber eigentlich hat sich das Ensemble diesen Ruhm erspielt — wie auch bei den NRW-Theatertreffen-Einladungen in den beiden Jahren zuvor.

Heinrich Böll hat in seiner berühmten Rede zur Eröffnung des Schauspielhauses 1966 von der „Freiheit der Kunst“ gesprochen. Ist in Wuppertal davon etwas übrig geblieben?

von Treskow: Solange ich hier war, ja. Böll hat ja auch gesagt, dass Freiheit in der Kunst auch darin bestehe, immer zu weit zu gehen. Das haben wir versucht. Gottlob hat sich die Stadtspitze wenigstens inhaltlich nicht eingemischt. Und wir haben unsere Freiheit genutzt, um unsere Arbeit gut zu machen.

Ihre Nachfolgerin soll noch mehr Zuschauer ins Theater locken. Kann das gelingen?

von Treskow: Das Kerngeschäft Schauspiel pendelte immer so um die 20 000 Zuschauer in Wuppertal — auch unter meinen Vorgängern! Das „Theater am Engelsgarten“ soll laut Ratsbeschluss zu 75 Prozent ausgelastet sein. Das ist viel, aber selbst damit ist diese Zahl nicht zu halten. Für mehr Zuschauer muss man ins große Opernhaus gehen. Und: Man sollte nicht nur auf die Zuschauerzahlen blicken. Unser städtischer Zuschuss von nur noch neun Millionen Euro sollte nicht auch noch für Unterhaltung ausgegeben werden. Das liefern Fernsehen, Internet oder kommerzielle Musicals. Für mich war klar, damit zeitgenössisches Theater zu machen.

Wie sehen Sie die Wuppertaler Bühnen in einigen Jahren?

von Treskow: Ich bin heilfroh, dass ich die Zukunft der Bühnen nicht mehr verantworten muss, angesichts der finanziellen und personellen Situation. Für Wuppertal wären wieder ein starker Generalintendant und ein durchsetzungsfähiger Kulturdezernent wichtig. Und: Das Tanztheater müsste auf längere Sicht vielleicht wieder in die Bühnen integriert werden.

Wie wird es für Sie weitergehen?

von Treskow: Ich ziehe mit meiner Familie nach Aachen und werde jetzt zwei Jahre lang freiberuflich arbeiten. Dann will ich die Fühler nach einer neuen Intendanz ausstrecken, um mit diesem tollen Ensemble weiterzuarbeiten.