Worte zergehen auf der Zunge
Bühnenpremiere: Das „Tintenherz“ schlägt beim Kinder- und Jugendtheater. Ein wirkliches Abenteuer hat Regisseur Lars Emrich auf die Bühne im Forum gebracht.
Wuppertal. "Worte werden erst lebendig, wenn du sie auf der Zunge schmeckst", weiß Autor Fenoglio (Dieter Marenz). Einer, der diesen ganz besonderen Geschmack kennt, ist Mo (Tobias Uhl). Von einem ominösen Abenteuerbuch namens "Tintenherz" fasziniert, schafft er es Dank seiner Zauberzunge, die Buchfiguren wirklich Gestalt annehmen zu lassen.
Der zunächst zwielichtige Staubfinger (Knut Heimann), Oberschurke Capricorn (Udo Dülme), dessen willige Helfer Basta (Ralf Stallmann) und Flachnase (Jörg Grothe) sind in Lars Emrichs Inszenierung von "Tintenherz" die Buchgestalten, die als Widersacher Mo, seiner starken Tochter Meggie (Patricia Wirth) und der überaus resoluten Tante Elionor (bei der Premiere umjubelt: Rita Reineke) das Leben schwer machen.
Ein wirkliches Abenteuer hat Regisseur Emrich auf die Bühne im Forum gebracht. Überwiegend düster ist es, wenn Mo und Tochter plötzlich ihre Siebensachen packen, um zu Tante Elionor zu fliehen, Staubfinger begegnen oder sich auf die Suche nach Bösewicht Capricorn machen.
Dramatisch unterstreicht Andreas Grimms Musik diese Szenen, und wenn Meggie, ebenso eine Leseratte wie ihr Vater und die bärbeißig anmutende Tante ("anstelle von Kindern habe ich Bücher"), liest, sorgen Schalleffekte für Gruselmomente. Andererseits werden auf schöne Weise Klischees erfüllt: Capricorn taucht als Chefverbrecher im hermelinroten Mantel auf, lässt sich von seinen Spießgesellen wie ein König feiern - und diese Kumpane sind natürlich doof.
Den Premierengästen im Forum hat es gefallen. Selbst bei Umbaupausen reckten die jungen Zuschauer die Hälse, um bloß nichts zu verpassen. Die Ausstattung stammt von Laurentiu Tuturuga, und wer seine Arbeit kennt, weiß: Wenige Handgriffe genügen, und die Bühnenelemente mutieren von Wohnhauskulisse zu Bibliothek, Versteck Dorfplatz oder Gefängnis.
Fasziniert verfolgten die Zuschauer die Geschichte, die auf den ersten Blick ein turbulentes Abenteuer ist: Erst hat das "Tintenherz" bezaubert, dann verhext - und so bleibt zuletzt nur noch der Exorzismus.
Hinter den zügig erzählten, spannenden Szenen berichtet Emrich in seiner Adaption von Cornelia Funkes Romanvorlage davon, welche Macht Bücher haben, wie faszinierend Lektüre ist und wie man selbst in seine Fantasie eintaucht. Das gefiel. Völlig aus dem Häuschen applaudierten die Kinder, als bekämen sie dafür Lieblingssüßigkeiten.