Wuppertaler Bühnen: Rettung ungewiss
Laut Gutachten können die Bühnen nicht mehr sparen. Nun ist die Zukunfts-Diskussion in vollem Gange. Die Politik berät noch.
Wuppertal. Idyllisch ist es in der Wuppertaler Bühnenlandschaft schon seit Monaten nicht mehr. Die jüngste Hiobsbotschaft hat nun auch die letzten Optimisten erschüttert: Nachdem am Mittwoch ein Gutachten im Kulturausschuss vorgestellt worden ist, das den Wuppertaler Bühnen eine düstere Zukunft voraussagt, ist die öffentliche Diskussion über die finanziellen, vor allem aber auch künstlerischen Perspektiven in vollem Gange. Soll die Stadt trotz der drohenden Zuschusskürzungen versuchen, sowohl Oper als auch Schauspiel am Leben zu halten? Oder sollen sich die Bühnen als Ein-Sparten-Betrieb neu definieren?
Wer sich in Künstler- wie Zuschauerkreisen, bei engagierten Theatergängern, aber auch bei bekennenden Kulturspektikern umhört, spürt längst, dass sich zwei Lager bilden. Die Ausgangsfrage ist dieselbe, die Antwort denkbar unterschiedlich: Was ist erhaltenswerter - Oper oder Schauspiel? Gutachter Martin Dehli von der Münchner Beraterfirma actori, der die 70-seitige Studie im Kulturausschuss präsentierte, warnt jedoch vor einer allzu schnellen Festlegung: "In der Stadt wird schon darüber geredet, welche Sparte geschlossen werden soll. Doch die erste Entscheidung, die getroffen werden muss, ist zunächst die, ob beide Sparten erhalten bleiben sollen." Erst danach stelle sich womöglich die Frage, welche Sparte geopfert werden könnte.
Die Möglichkeit, beide Sparten zu erhalten, hält Dehli "zumindest finanziell für machbar. Künstlerisch gibt es allerdings viele Fragzeichen." In diesem Fall gäbe es "große programmatische Einschränkungen", da der Spielplan drastisch reduziert würde und 44 Stellen gestrichen werden müssten (sechs im Ensemble, 38 in anderen Bereichen). Auch für die Alternative, dass sich die Bühnen, die insgesamt 200 Mitarbeiter beschäftigen, von einer Sparte verabschieden müssen, prognostiziert Dehli den Abbau von mindestens jeder fünften Stelle.
Personalkosten sind der mit Abstand größte Ausgabeposten der Wuppertaler Bühnen. Dass einschneidende Veränderungen inklusive Stellenabbau und Spielplan-Kürzungen deshalb in jedem Fall nicht zu vermeiden seien, macht Dehli unmissverständlich deutlich: "Bereits mit dieser Saison ist an den Bühnen finanziell das Ende der Fahnenstange erreicht."
Grundsätzlich gelte: Schon ein Theater, das mit einem gleichbleibenden Zuschuss auskommen müsse, werde - allein wegen steigender Kosten - "ausgezehrt". "Eintrittspreise machen nur einen kleine Teil des Bühnen-Budgets aus", sagt Dehli. Deshalb "kann ein Theater eine Inflation nicht einfach durch die Erhöhung der Preise auffangen", wie es beispielsweise ein Exportunternehmen praktizieren könne, das die Preise seiner Waren anhebe.
Speziell auf Wuppertal bezogen heißt das: "Es steht eine Zuschusskürzung von zwei Millionen Euro bei einem Theater im Raum, das jetzt schon an seinen finanziellen Grenzen angekommen ist." Eine mögliche Erhöhung der Eintrittspreise kann daher höchstens ein Tropfen auf dem heißen Stein sein.
Kulturdezernent Matthias Nocke (CDU) warnt währenddessen davor, die Diskussion über die Zukunft der Sparten und der Spielstätten aneinander zu koppeln. Die Nutzungsmöglichkeit des Schauspielhauses, dessen langfristige Existenz durch das städtische Spardiktat explizit auf dem Spiel steht, sei losgelöst von der Spartendiskussion zu sehen.
Nocke betonte dies nicht zuletzt mit Blick auf das Tanztheater Wuppertal, das seine Choreographien sowohl im Opernhaus als auch im Schauspielhaus zeigt: "Das Tanztheater führt seine Stücke, unabhängig ob sie für Barmen oder Elberfeld geschrieben sind, auch in Buenos Aires oder Tokio auf." Das klingt ganz danach, als ob es eine Bestandsgarantie allein wegen des Pina-Bausch-Ensembles nicht gebe.
Noch ist die Diskussion jedoch vollkommen offen. In den kommenden Wochen wollen die Fraktionen über das Gutachten beraten. Anfang des kommenden Jahres soll dann im Rat eine endgültige Entscheidung gefällt werden. Parallel dazu wird an einem weiteren Gutachten gearbeitet, das einen Schulterschluss im bergischen Städtedreieck ins Auge fasst. Nocke betont, dass eine engere Zusammenarbeit mit Remscheid und Solingen schon jetzt geprüft werde: "Wir führen regelmäßig Gespräche." Wer weiß, wie zögerlich die Nachbarstädte mitunter sind, wenn es um Kooperationsmöglichkeiten geht, ahnt aber auch: Die Hoffnung, so womöglich beide Sparten retten zu können, könnte eine trügerische Idylle sein.