Wuppertaler Dirigent gewinnt Wettbewerb in Graz
Boris Brinkmann punktet in Österreich.
Wuppertal. Pure Freude? Reines Eigenlob? Große Zukunftspläne? Keine Frage: Boris Brinkmann freut sich. Gnadenlose Selbstbeweihräucherung ist trotzdem nicht seine Sache. Dass er in Graz einen Dirigenten-Wettbewerb gewonnen hat, der im Rahmen eines internationalen Meisterkurses stattfand, erzählt er gerne, lebhaft und äußerst plastisch — so, wie es sich für einen Vollblut-Musiker gehört, der in der Opernwelt den Ton angibt. Er verschweigt aber nicht, dass es ohne äußeren Anstoß gar nicht so weit gekommen wäre.
Denn der gebürtige Bremer, der seit 2006 an den Wuppertaler Bühnen engagiert ist, muss schon deshalb neue Zukunftspläne schmieden, weil er zum großen Kreis derer gehört, die sich eine andere Stelle suchen müssen. Wie die WZ berichtete, wurden Verträge mit Blick auf den 2014 anstehenden Intendanten-Wechsel nicht verlängert.
Was nun? Boris Brinkmann steht nach eigenen Angaben an einer „großen Weggabelung“. „Normal wäre, dass ich mich an einem anderen Stadttheater bewerbe, um dort als Korrepetitor mein Butterbrot zu verdienen.“ In dieser Funktion hat er in Wuppertal viel Erfahrung gesammelt: Als Korrepetitor sitzt er am Klavier, wenn Sänger und Chor ein Stück neu lernen oder wiederholen. Bevor das Orchester dazustößt, übernimmt er den entscheidenden Begleit-Part. Auch in Einzelproben gibt er korrigierende musikalische Tipps.
Dabei verhehlt er nicht, dass es ihm so geht wie vermutlich den meisten seiner Kollegen: Am liebsten steht er am Pult und dirigiert. Genau deshalb hat er sich auch um einen Platz in Österreich beworben. Jedenfalls hat der fast 41-Jährige eine plausible Erklärung dafür, dass er — als gestandener Opern-Kenner — die Koffer packte, um gemeinsam mit deutlich Jüngeren die Dirigenten-Schulbank zu drücken.
„Solche Kurse richten sich eigentlich an Studenten“, erzählt er ganz offen. Ihn habe der zweiwöchige „Internationale Meisterkurs für Dirigieren Graz 2013“ aber gerade deshalb gereizt, weil es nicht allein um die Schlagtechnik und darum ging, Aufführungspraxis zu sammeln - die dürften naturgemäß eher die jüngeren Kollegen aus Korea, Spanien, Italien und Frankreich nötig gehabt haben. „An der Ausschreibung hat mich das Stichwort Selbstorganisation gereizt“, erklärt er. „Man muss sich wahnsinnig vernetzen, wenn man es als frei schaffender Dirigent schaffen will.“ Geht es doch für den Kapellmeister, angestoßen von der Nichtverlängerung seines Vertrags, darum, ob er den Sprung ins Dirigenten-Becken wagt und seinen Traum verwirklichen kann — oder doch lieber an Stadttheatern anklopft.
„Auf die Frage, wie man Dirigent wird, gibt es verschiedene Antworten“, sagt er. „In Deutschland arbeitet man sich im Theater als Korrepetitor hoch, wird Kapellmeister, im Idealfall Dirigent. Außerhalb Deutschlands herrscht es ein anderes Berufsbild.“ Will sagen: Während man als Korrepetitor lernt, auf Mitakteure einzugehen und sie „wie ein Verkehrsschutzmann“ zu leiten, sehen sich frei agierende Dirigenten, die nicht den Weg des Korrepetitors gehen, sondern direkt zum Taktstock greifen, mitunter gar eigene Ensembles gründen, eher als Chefs, die im Ring — an und auf der Bühne — das alleinige Sagen haben.
„Ein Stück, das ich am Klavier selbst unter den Fingern gehabt habe, dirigiere ich anders“, gibt Brinkmann zu bedenken. Genau das habe ihm auch in Graz geholfen. Dass er den Wettbewerb für sich entscheiden konnte, scheint zu bestätigen, dass sein (Ausbildungs-)Weg der richtige war.
Trotzdem ist er ins Grübeln gekommen. „Auch wenn der deutsche Weg in Österreich gesiegt hat, scheint er bei uns nicht mehr zu funktionieren.“ Brinkmann ist dennoch beflügelt — und guter Dinge, an der aktuellen Weggabelung die richtige Richtung einzuschlagen.