Kultur Die richtige Haltung, um durch Krisen zu gehen

Die Literatur Biennale endete mit einer Diskussion zwischen Philosophin Svenja Flaßpöhler und Schriftsteller Ilija Trojanow.

Svenja Flaßpöhler, Ilija Trojanow und Marija Bakker (v.l.).

Foto: Schwartz, Anna (as)

Den Ausklang der diesmal rein digitalen Wuppertaler Literatur Biennale, die am 8. November endete, haben Svenja Flaßpöhler und Ilija Trojanow übernommen. Unter dem Motto „Halten unsere Haltungen“ diskutierten die Philosophin und der Schriftsteller am Sonntagnachmittag sowohl die Rollen von Wissenschaft und Staat als auch die Frage nach der persönlichen Verantwortung des Einzelnen in Zeiten von Pandemie und Klimawandel.

Die aktuellen Entwicklungen wie der Corona-Ausbruch, die Autokratie in der Welt, der Terror, die Schere von Arm und Reich oder der Klimakollaps sind Themen, die alle betreffen. Sie zwingen den Menschen, sich über seine eigene Haltung Rechenschaft abzulegen. Mit welcher Haltung können wir durch solche Krisen gehen? Gibt es eine richtige Haltung? Und was bedeutet das überhaupt: Haltung?

Um sich dem Thema behutsam zu nähern, ging es zunächst um die Frage nach der Leiblichkeit: Hat die körperliche Haltung eines Menschen Auswirkung auf seine Lebensanschauung? „Es braucht eine Korrespondenz von leiblicher und innerlicher Haltung“, so Svenja Flaßpöhler. Haltung solle nie starr sein, sondern stets in Bewegung bleiben. Eine Kalibrierung der Haltung muss immer möglich bleiben.

Eine Demokratie muss unterschiedliche Haltungen aushalten können. Welcher kleinste gemeinsame Nenner hält aber unsere Gesellschaft zusammen? Ilija Trojanow sieht ihn in den Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte. „Das sind minimale Rahmenbedingung für etwas, das uns festigt.“ Die Philosophin wirft Kants kategorischen Imperativ ins Rennen. „Meine Eigengesetzlichkeit muss für alle gelten können, das finde ich, ist eine gute Leitlinie.“

Es gibt jedoch einen „Gap zwischen Wissen und Handeln“, so Flaßpöhler. Der mündige Bürger weiß, wie er moralisch richtig handeln soll, setzt dieses jedoch oft nicht um, sei es aus Bequemlichkeit, Angst oder anderen Gründen. Warum tun wir also nicht, was wir für richtig halten? Ein belebendes Gespräch, das viele Denkanstöße gibt und die Frage nach der eigenen Haltung neu formuliert.

Svenja Flaßpöhler ist Philosophin, Autorin und Journalistin. Sie wurde 1975 in Münster geboren, studierte Philosophie, Germanistik und Sport und promovierte 2006 mit der Arbeit „Der Wille zur Lust. Pornographie und das moderne Subjekt“. Seit 2018 ist sie Chefredakteurin des Philosophie Magazins. Der 1965 in Bulgarien geborene Ilija Trojanow floh 1971 mit seiner Familie nach Deutschland. Er studierte Rechtswissenschaften und Ethnologie in München. Heute lebt der Autor, Übersetzer und Weltensammler in Wien.