Literatur Lesen und nachdenken über ein hochaktuelles Thema

Die Wuppertaler Literaturbiennale befasst sich in ihrer fünften Auflage mit „Berührungen. Tier - Mensch - Maschine“.

Freuen sich auf die Literaturbiennale: (v.l.) Gerold Theobalt, Ruth Eising und Julia Wessel.

Foto: Fischer, Andreas H503840

„Berührungen. Tier - Mensch - Maschine“: Was sich wie eine zufällige Aneinanderreihung von vier Worten liest, ist Ergebnis ausführlicher Überlegungen, die den Nerv der Zeit treffen. Zum Beispiel so: In China haben mutmaßlich Tiere eine Krankheit auf Menschen übertragen, die nun auf der ganzen Welt für Angst sorgt. In einem Pekinger Krankenhaus übernehmen deshalb Roboter die Kommunikation mit Patienten, nennt Julia Wessel vom Kulturbüro einen aktuellen Bezug. Einen von vielen, den „Berührungen. Tier - Mensch - Maschine“ offenbart, wenn man näher hinschaut und nachzudenken beginnt. Ein älterer ist die Abhandlung „Über Berührungen“ von René Descartes, führt Gerold Theobalt vom Kuratorium der Wuppertaler Literaturbiennale an. Die findet im Mai 2020 zum fünften Mal statt und gibt sich das Thema „Berührungen. Tier - Mensch - Maschine“.

 Sie sind ein eingespieltes Team, das in seinen Reihen so ziemlich alle Wuppertaler Literaturbewegten vereint – vom Literaturhaus bis zu den Buchhandlungen, von den Bühnen bis zur jungen Literaturszene. Immer stärker bringe sich auch die Bergische Universität ein, betont Theobalt. Ein eingespieltes Team, das unter Federführung des Kulturbüros im regen Austausch Ideen und Programm entwickelt, und das praktisch schon seit der letzten Biennale vor zwei Jahren. Dabei gehe es nicht darum, irgendein Modethema zu besetzen, sondern das aufzugreifen, was den Machern wichtig sei. 2012 fand die erste Biennale statt, die das Thema „Freiheit“ hatte, es folgte „Unterwegs nach Europa“ (2014), „Utopie Heimat“ (2016) und „SchönLügen“ (2018). Diese intensive Themenfindung unterscheidet die Veranstaltung von anderen, etwa der Lit. Cologne. Mit dem erfreulichen Effekt, dass es immer öfter Anfragen von auswärts gebe, weiß Theobalt. Außerdem sind die Wuppertaler bei der Auswahl der Autoren und ihrer Bücher nicht auf aktuelle Werke beschränkt.

Die 2020 angesetzte Auseinandersetzung um Mensch und Ethik in den Zeiten von Künstlicher Intelligenz einerseits und mit dem Verhältnis von Mensch und Natur/Tier andererseits findet übrigens nicht nur in Wuppertal, sondern weltweit und nicht nur in der Bücherwelt ihren Niederschlag, sondern auch in der Forschung. Etwa in Vorlesungen, die mehrere Fakultäten einer Universität, zum Beispiel der Folkwang-Uni in Essen, zusammenführen.

Bei der Auswahl nicht auf
aktuelle Werke beschränkt

Und bei der Literaturbiennale? „Wir erwarten Gäste aus zehn Nationen und aus mehreren Generationen“, erklärt Ruth Eising vom Kuratorium. Im Zeitraum 14. bis 23. Mai dürfen sich Literaturfreunde auf Namen wie Emma Braslavsky („Die Nacht war bleich, die Lichter blinkten“), Monika Maron, Christoph Ransmayr, Philipp Schönthaler („Der Weg aller Welten“) und Martin Walker freuen. Ransmayr, der dieses Jahr den Ludwig Börne-Preis erhält, bringt seinen im chinesischen Kaiserreich spielenden Roman „Cox oder Der Lauf der Zeit“ mit, Monika Maron beklagt in ihren zeitdiagnostischen Werken „Munin oder Chaos im Kopf“ und „Krähengeächz“ das brutalisierte gesellschaftliche Klima. In Braslavskys Roman entwickelt ein Android menschliche Gefühle, bei Schönthaler verliert ein Mensch seine digitale Identität, was gravierende Folgen hat. Martin Walker blickt in „Germany 2064“ auf eine dystopische deutsche Zukunft. Nicht zu vergessen die Highlights aus der lokalen Literaturszene, die derzeit noch ins Programm eingepflegt werden. Am 4. April soll es online gehen, das analoge Programmheft ab 21. April verteilt werden.

Ende März werden die Gewinner des diesjährigen Schreibwettbewerbs bekanntgegeben. Die neu besetzte Jury (Katja Schettler, Maren Jungclaus, Yannic Han Biao Federer, Luisa Banki und Max Christian Graeff) liest gerade die 94 eingereichten Texte aus Deutschland, Österreich und der Schweiz und will am 17. März über den Haupt- und die zwei Förderpreise befinden. Die Preisverleihung findet während der Biennale statt: Zur Eröffnung in der Citykirche wird Ilija Trojanow erwartet. Die einzelnen Veranstaltungen verteilen sich auf 20 Orte im Stadtgebiet. Natürlich wird nicht nur vorgelesen. John von Düffel hält beispielsweise einen Vortrag über Autoren in der digitalen Welt. Es gibt Diskurse mit Moderatoren von nah (beispielsweise das Wuppertal Institut) und fern.

Die Literaturbiennale kommt – es sei denn, der Coronavirus schaltet bis dahin den Menschen so weit aus, dass sie abgesagt werden muss.