Musical Herodes als Fernseh-Prediger
Wuppertal · Die Wuppertaler Oper landete mit „Jesus Christ Superstar“-Musical einen Dauererfolg.
Er ist schon in viele Rollen geschlüpft, sein Repertoire umfasst an die 200 Partien in 160 Opern, in der aktuellen Spielzeit verehrt er im Musical „My Fair Lady“ das Blumenmädchen Eliza, gibt in Puccinis Oper „La Bohème“ den Spielzeugverkäufer Parpignol und in Mozarts Oper „Le nozze di Figaro“ einen Musiklehrer und einen Richter. Im Musical „Jesus Christ Superstar“, das seit Ende letzten Jahres der Wuppertaler Oper volle Häuser bescherte, ist er Herodes. Ein König, der von den römischen Besatzern eingesetzt von ihren Gnaden in Judäa, Galiläa, Samaria herrschte. „Er erinnert an Liberace, aber ich lege ihn eher als Prediger aus dem amerikanischen Fernsehen an“, erklärt Mark Bowman-Hester, Tenor und Mitglied des Ensembles.
Mark Bowman-Hester wurde 1956 als Sohn eines Tabakbauers in der Kleinstadt Roxboro im Bundesstaat North Carolina geboren. „Ich habe schon als Kind auf dem Feld gesungen. Oder im Kirchenchor mit den Erwachsenen“, erinnert sich der Mann, der einen feinen Sinn für Humor pflegt. Mit drei Jahren begann der Klavierunterricht. Der 18-Jährige nahm zunächst ein Mathematik-Studium auf. An einer Universität, „von der ich wusste, dass es auch Musikkurse gab“. Er sang bei einem Männerchor vor, erfuhr anschließend, dass er sich zugleich der musikalischen Fakultät vorgestellt hatte. Also studierte er Musik, belegte zunächst noch Mathematikkurse, um den Vater zu beruhigen. Bei einem Wettbewerb nach dem Masterstudium gewann Bowman-Hester 1986 einen Sommer in Graz, sang dort Agenten aus Heidelberg, Mainz und Basel vor. Die interessanten Partien und das Geld entschieden für das Theater Heidelberg, wo er im Jahr darauf seine Arbeit aufnahm. Der Tenor blieb in Deutschland, sang auf vielen Bühnen, kam 1991 zum ersten Mal nach Wuppertal, sprang für einen Abend in einer Vorstellung der Oper „Entführung aus dem Serail“ ein. Der Kontakt blieb, wurde über Besuche gepflegt. Als die Oper ein neues Ensemble aufbaute, sang er vor - ist seit 2016/17 dabei. „Ich fühle mich in Wuppertal wohl, habe die Stadt immer gemocht, das Ensemble ist gut“, sagt der Tenor.
Fokus auf der Manipulierbarkeit
der Menschenmassen
Seine Lieblingsrolle sei immer die, die er gerade probe, eine Präferenz bei den Musikformaten gebe es nicht. „Ich mag alle, Musical, Konzert und Oper, passe meine Stimme der Rolle an, ich schätze die Abwechslung.“ Bei der Musik stehen Mozart, Strauss und Britten vorn. Das Musical von Andrew Lloyd Webber kennt Bowman-Hester natürlich von früher, aus den 70er Jahren. Er schaute es sich an, sang damals aber lieber Opern, Lieder und Oratorien. Seine erste Musicalrolle war 1979 Mr. Snow in „Carousel“, außerdem sang er in vielen Musicalchören mit. Herodes sei eine dankbare Partie, kurz aber mit viel Effekt, „die klassische Partie für einen Kammersänger, eine Charakterrolle für gereifte Stimmen, nicht für eine junge lyrische Stimme“, sagt David Greiner, Chefdramaturg der Oper Wuppertal.
Die hat die Oldenburger Inszenierung auf sich zugeschnitten. Hat von der Showbusiness-Version des Musicals zurück zur Bibelgeschichte gefunden. „Wir legen den Fokus auf die Manipulierbarkeit der Menschenmassen, die sich auf Personen fixiere, sie hochheben und wieder fallen lassen“, erklärt der Dramaturg. Der Jugendchor steht mit auf der Bühne, was nicht nur die Stimmgewalt, sondern auch die Altersbreite auf der Bühne vergrößert, schließlich sollen ja Menschenmassen verkörpert werden. Greiner: „Unser Herodes ist Showman und Sektenführer.“ Er trägt ein mit Pailletten besetztes, silbern schimmerndes Jackett, auf dem Kopf eine hellblonde Perücke. Außerdem haben die Wuppertaler die Akteure bis auf die beiden Hauptdarsteller, Jesus (Oedo Kuipers) und Judas (Rupert Markthaler), ausgetauscht, was ebenfalls die Darstellung verändere. Greiner: „Unsere Maria Magdalena (Maureen Mac Gillavry, Red.) ist zum Beispiel viel sinnlicher.“
Die Wuppertaler Inszenierung kam an. Die Aufführungen nach der Premiere im Dezember waren komplett ausverkauft. Die Coronaviruskrise kam dazwischen.