Kultur in Wuppertal Eckehard Lowisch zeigt einen völlig anderen Friedrich Engels
Wuppertal · Eckehard Lowischs Projekt „When robots make art“ zeigt einen völlig anderen Friedrich Engels.
Das Atelier erlebt (trotz Coronakrise) einen Ansturm. Überall stehen die Figuren, mal in voller Statur, mal nur ihr Kopf, mal gut erkennbar, mal zur Unkenntlichkeit abstrahiert. Aus Zinn, verschiedenen Kunststoffen und -steinen, Marmor oder Steinguss gefertigt. Friedrich Engels hat die Kunststation von Eckehard Lowisch im Vohwinkeler Bahnhof erobert, in vielfältiger Ausführung, von wenigen Zentimetern bis gut anderthalb Metern groß. Geschaffen vom Bildhauer selbst. Der dabei nicht nur sein Bild vom Revolutionär vorstellt, sondern auch der Frage nachgeht, welchen Einfluss die Produktion von Kunst auf Wert und Rezeption haben. „When robots make art“ heißt Lowischs Projekt, das sein Beitrag zum Engelsjahr ist.
Lowischs Auseinandersetzung mit dem berühmten Barmer Sohn schlägt den Bogen von der durch die Erfindung des mechanischen Webstuhls ausgelösten Industrierevolution 1.0 zu der durch die Digitalisierung ausgelösten 4.0. Im Bereich der Kunst führt letztere dazu, dass der Roboter das Handwerk ersetzt. Womit freilich noch nichts über das Aussehen der Figur gesagt ist.
Seit zwei Jahren ist Lowisch auf den Spuren des berühmten Barmer Sohns, der sein aktuelles Lebensthema geworden ist. Er recherchierte, besuchte Manchester, stieß auf Gerhard Thiemes Engelsfigur, die Erich Honecker bei seinem Besuch 1987 der Stadt geschenkt hatte, und auf das Elend der Kinderarbeit, das schon zu Engels’ Zeit fotografisch festgehalten wurde. „Ich wollte auf keinen Fall eine Heldenfigur schaffen, eher das Gegenteil zu den Klischees, und keinen Mann mit Bart, Mantel und Buch“, erinnert Lowisch. Es gehe ihm darum, zu zeigen, was Engels gesehen, nicht wie er ausgesehen habe. Vor allem aber gibt es die kleine weibliche Gipsfigur mit Pagenschnitt, langer Jacke und Hose, die der Künstler selbst vor vielen Jahren für seine sechsjährige Tochter schuf. Ein stolzes Mädchen, das ihn heute auch an Greta denken lässt.
Eine Figur, die der Künstler einst für seine kleine Tochter schuf
Mit dieser etwa 25 Zentimeter kleinen Figur spielte Lowisch, änderte Geschlecht und Frisur, steckte eine Faust in die Jackentasche. Schuf so seinen Engels. Die Produktion gab Lowisch , der es nach wie vor liebt, im Steinbruch zu meißeln, bewusst ab. Professor Peter Urban von der Bergischen Universität, in dem er einen begeisterten Mitstreiter fand, scannte die Figur ein und programmierte eine Software für einen 3-D-Drucker. Daten-Basis für zwei weitere Programme: Eines lässt einen Roboter wie einen Handwerker eine Figur aus einem Block herausfräsen, eines lässt ihn einen Block in Scheiben zerlegen, die übereinander gelegt die Figur ergeben.
Bei der Firma Kuka Robotics in Augsburg fertigten Roboter im Oktober 2019 binnen einer Woche an die 70 64 Zentimeter große Engels-Figuren aus Hartschaum. Außerdem wurden im Februar/März 64 Marmorscheiben geschnitten, die Lowisch zu einem 1,64 Meter großen Engels stapelte. Gedacht für die große Engels-Ausstellung in der Kunsthalle Barmen, wie mit der Stadt vereinbart war. Corona kam dazwischen, die Ausstellung wurde zwar mittlerweile doch noch eröffnet, aber ohne Skulptur. Die soll nun Teil einer Ausstellung im Lichthof des Barmer Rathauses ab 3. August sein, zusammen mit den vielen anderen Engelsfiguren, der filmischen Dokumentation des Projekts und der Ateliersituation samt Mitmachaktionen, so wie sie sich derzeit in der Kunststation darbietet. Und leider (noch) nicht für die Öffentlichkeit zugänglich ist.
Wer nicht warten kann, hat die Chance, die rötlich schimmernde Figur schon vorher zu sehen – sie geht auf Tour, war schon im Skulpturenpark Waldfrieden, soll auf dem Platz hinter dem Primark-Gebäude, neben der Pallas Athene vor dem Dörpfeld Gymnasium, das Engels einst besuchte, im Engelsgarten oder auf der Lüntenbecker Halde stehen.
Weitere Standortideen sind willkommen, eine Vorankündigung unterbleibt coronabedingt.