Zauberhaft: Störche landen in Barmen
Alles andere als fauler Zauber: „Kalif Storch“ wurde im Opernhaus mit Bravo-Rufen gefeiert.
Wuppertal. „Potz, Mekka und Medina!“ Keiner kann so schön fluchen wie Thomas Braus — wenn er ein Wesir im Storchen-Fell ist. Der Schauspieler hatte es am Freitagabend nicht nur mit einem schnell verzauberten Premierenpublikum, sondern vor allem mit einem tierischen Schicksal zu tun: Als Wesir Mansor steht er Chasid, dem Kalifen von Bagdad (Jakob Walser), zur Seite. So kann’s kommen: Mansor, der behäbige Untertan mit dem dicken Bauch(polster), möchte am liebsten ein stolzer, Angst einflößender Löwe sein — aber weil Chasid nun mal Herrscher ist und bestimmt, wo es lang geht, wird stattdessen ein Storch aus ihm. Mitgehangen, mitgefangen — und mitgeflogen: „Kalif Storch“ hat alles, was ein Weihnachtsstück braucht, um kleine wie große Zuschauer zum Staunen zu bringen.
Ingrid Gündisch holt dafür den Orient ins Tal: Mit vielen bezaubernden Momenten, witzigen Einfällen und leisen, menschlichen Zwischentönen erzählt die Regisseurin eine märchenhafte Geschichte über Freundschaft, Optimismus und Machtgier. Dabei erhält die Botschaft, dass das Gute am Ende doch die Nase vorn hat, eine erfreuliche Nuance: Ob als Löwe oder Storch, unbedarfter Kalif oder verwunschene Prinzessin — im Leben geht’s darum, nicht aufzugeben. Durchhalten lohnt sich, auch wenn die Lage hoffnungslos zu sein scheint. Und echte Freunde halten zusammen. So einfach ist das — aber auch so schwierig.
Denn die dicke Freundschaft zwischen dem jovialen Schwergewicht Mansor und dem leichtgläubigen Chasid wird auf eine harte Probe gestellt. Erzfeind Kaschnur (herrlich hintertrieben: Marco Wohlwend), als Händler verkleidet, jubelt Chasid ein Zauberpulver unter, mit dem man sich in jedes beliebige Tier verwandeln kann.
Jakob Walser gibt den Kalifen mit einer angenehmen Mischung aus jugendlicher Sorglosigkeit, naivem Übermut und einer minimalen Spur unbekümmerter Arroganz. Er möchte ein Storch sein — weil seine Lieblingstiere „majestätisch stolzieren“ und obendrein nicht auf den Schnabel gefallen sind: „Ihr Geklapper ist Musik in meinen Ohren.“
Die Metamorphose hat genauso ernste wie unterhaltsame Folgen, denn „Kalif Storch“ ist ein kurzweiliger Spaß mit Tiefgang. Das liegt an der gefühlvollen Regieführung und Helke Hasses stimmungsvoller Kulisse, nicht zuletzt aber auch an den Schauspielern, die Wandlungsfähigkeit beweisen — allen voran An Kuohn, die als Störchin Bauchtanz betreibt („Ich muss abnehmen“) oder als flippige Zauber-Hexe einer abgedrehten, Kaugummi kauenden Punk-Braut gleicht. Auch Hendrik Vogt wechselt seine Kostüme so dynamisch wie die verschiedenen Rollen.
Wenn Vogt als böser Junge („Hallo Wuppertal!“) fies und munter drauflos rappt, ist das nur einer von mehreren Überraschungsmomenten, in denen viel Liebe zum Detail steckt. Auch die Tierbewegungen passen bestens ins orientalische Bild: Juliane Pempelfort ist die perfekte Eule und jedes Storch-Kostüm ein echter Hingucker. Dass Helke Hasse das Tierfell mit einer Handpuppe krönt, die den Darstellern einfühlsame Bewegungen ermöglicht und zu lautem Schnabel-Klappern führt, überzeugt auf ganzer Linie. Überhaupt entpuppt sich die Inszenierung als eine gelungene Balance zwischen traditionellem Theaterzauber und modernen Zwischentönen.
Auch wenn dem Stück kurz vor Ende zwischenzeitlich etwas die Luft ausgeht und es in anderen, finanziell besser ausgestatteten Städten vermutlich mehr Opulenz auf der Bühne gäbe, ist das Endergebnis buchstäblich zauberhaft. Bei der Premiere hatten jedenfalls alle ihren Spaß — die kleinen Gäste, die teilweise mit Kuscheltier in der Hand mitfieberten, aber auch ihre großen Begleiter, die nicht weniger gebannt verfolgten, wie Störche durch die Luft fliegen, Discokugeln den Saal stimmungsvoll zum Leuchten bringen und fabelhafte Tiere die Herzen der Menschen erobern.