KZ-Schicksale berühren Gesamtschüler
Die Jugendlichen verarbeiteten ihre Eindrücke nach einem Besuch im Konzentrationslager Buchenwald mit einer Ausstellung.
Vohwinkel. Wie lassen sich die Verbrechen des Nationalsozialismus heute jungen Menschen vermitteln? Und wie können Jugendliche das Ausmaß des Leidens der Opfer überhaupt erfassen? Der jüngste Skandal um die Echo-Verleihung und antisemitische Textzeilen zeigen, dass Aufklärung bei diesem hochsensiblen Thema nach wie vor wichtig ist. Mit einem umfangreichen Projekt zum Konzentrationslager Buchenwald wird an der Pina-Bausch-Gesamtschule Vohwinkel ein differenzierter Ansatz verfolgt.
Ein Jahr lang wurden die Schüler der zehnten Klasse im Unterricht auf einen mehrtägigen Besuch in der Gedenkstätte vorbereitet. Dabei lernten sie viel über die Zeit des Nationalsozialismus und den Weg bis zur Machtergreifung. In Buchenwald erfuhren sie dann ganz direkt, wie grausam die NS-Diktatur mit seinen Gegnern umging. In einer Ausstellung verarbeiteten die Teilnehmer anschließend ihre Erfahrungen und Erlebnisse in der Gedenkstätte. Mit verschiedenen Exponaten wurden Alltag, Leben und Tod im damaligen Konzentrationslager thematisiert. Dabei wurden die Jugendlichen selbst Multiplikatoren und gaben ihr Wissen im Rahmen der Ausstellung an ihre jüngeren Mitschüler weiter.
Das Projekt und die Reise nach Buchenwald haben alle Beteiligten tief beeindruckt. „Es ist etwas völlig Anderes, davon nur zu hören oder wirklich vor Ort zu sein“, sagt etwa der 16-jährige Leon. Der Besuch in der Gedenkstätte war für ihn ein bedrückendes Gefühl. „Manchmal hat uns das auch überfordert“, berichtet er. Trotzdem findet er die Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit wichtig. „Gerade die einzelnen Schicksale haben mich berührt“, sagt Leon. „Wir möchten das Leiden der Opfer durch individuelle Biographien greifbar machen“, erläutert Lehrerin Ina Giebeler den Ansatz. Darüber erschließe sich dann das Ausmaß des Massenmordes. Im Lager lebten und arbeiteten die Häftlinge unter unmenschlichen Bedingungen. Teilweise wurden an ihnen medizinische Versuche durchgeführt, viele starben qualvoll. Tausende sowjetische Kriegsgefangene wurden durch Genickschuss getötet. Die Leichen wurden in einem Krematorium verbrannt, das heute Teil der Gedenkstätte ist. Die 15-jährige Luzie fand diesen Teil des Besuchs in Buchenwald besonders verstörend. „Das war eine sehr heftige Erfahrung“ erzählt sie. Die Exponate spiegeln die Eindrücke wider.
Unter anderem haben sie Modelle des Lagers mit Stacheldraht und Baracken nachgebaut. Eine Urne dokumentiert die Zahl der Toten und einzelne Namen der Opfer. Auf zwei hölzernen Gedenktafeln sind unter anderem die Nationalitäten der Häftlinge eingeritzt. Die entsprechende Ausstellung löste bei den jüngeren Mitschülern ebenfalls Betroffenheit aus. „Die Resonanz war sehr groß“, berichtet die 16-jährige Noemi. Auch bei ihrem gleichaltrigen Mitschüler Moritz hat das Projekt einen nachhaltigen Eindruck hinterlassen. „Ich hätte mir das am Anfang nicht vorstellen können“, sagt er. Umso verärgerter waren die Schüler über die Echo-Verleihung und die entsprechenden Songtexte. „Ich fand es schockierend, dass Musik für so etwas benutzt wird“, sagt die 16-Jährige Emily. Jeder, der in Deutschland lebt, sollte sich ihrer Meinung nach über das Thema informieren. „Es sind so viele Menschen umgekommen, darüber kann man sich doch nicht lustig machen“, findet die Schülerin.
Lehrer Tobias Storms begrüßt das Engagement der Jugendlichen, möchte bei ihnen durch das Projekt ein Bewusstsein für den Nationalsozialismus und seine Folgen schaffen. Dazu gehört auch, dass das weitere Schicksal der Überlebenden und die Prozesse gegen die Täter verfolgt wurden. Das Projekt soll im nächsten Jahr fortgesetzt werden.