Wirtschaft Lehrstellen: Azubis und Unternehmen finden in Wuppertal nicht zusammen

Wuppertal · Zwölf Prozent weniger Lehrstellen, zehn Prozent weniger Bewerber – die Corona-Krise verschärft ein strukturelles Problem

Besonders bemerkbar macht sich die aktuelle Situation im Handwerk.

Foto: dpa/Felix Kästle

Weniger angebotene Lehrstellen, weniger junge Leute, die einen Ausbildungsplatz suchen. In der Corona-Krise kommen in Wuppertal Bewerber und Arbeitgeber schlechter zusammen als früher. Das zeigen die Zahlen: Mit Stand Juni 2020 wurden der Bundesagentur für Arbeit in Wuppertal 1705 Berufsausbildungsstellen aufs Jahr verteilt gemeldet. Das sind zwölf Prozent weniger als noch vor einem Jahr. Gleichzeitig waren auch nur noch 2196 junge Leute nachweislich auf der Suche nach einer Ausbildung – fast zehn Prozent weniger. 925 Suchende fanden keine passende Stelle.

Spannend ist allerdings der Blick auf das Verhältnis von unbesetzten Stellen und unversorgten Bewerbern – die Zahlen sind fast deckungsgleich. Michael Oelkers, Referent für Bildung bei der Bergischen IHK, kann das Problem erklären: „Das Zusammenkommen von Bewerbern und Unternehmen ist erschwert worden. Die Betriebe hatten teils andere Sorgen und viele junge Leute glaubten, dass es in der aktuellen Situation sowieso keinen Sinn habe, eine Bewerbung abzuschicken.“

Das sei aber falsch gedacht. Klar gebe es Branchen – zum Beispiel die Gastronomie – in denen die Ausbildung größtenteils heruntergefahren wurde. Doch anderswo, etwa in der IT-Branche oder im E-Commerce, werde noch händeringend gesucht.

Das unterstützt auch Martin Klebe, Chef der Agentur für Arbeit Solingen-Wuppertal: „Häufig hilft es, wenn Jugendliche zu ihrem Wunschberuf auch Alternativen entwickeln. Oft liegt der Schlüssel für einen erfolgreichen Berufseinstieg direkt vor der Tür, zum Beispiel hinter einer ungewohnten Berufsbezeichnung oder in einem kleinen oder weniger bekannten Betrieb.“

Doch gerade der Blick nach rechts und links sei in Corona-Zeiten häufig weggefallen, beschreibt Oelkers von der IHK die Situation. Angebote wie Ausbildungsbörsen oder Azubi-Speeddatings mussten wegen der Corona-Pandemie ausfallen. Das bringt einen großen Nachteil mit sich. Oelkers sagt: „Die Bewerber sehen den richtigen Weg für sie oft erst im persönlichen Gespräch.“ So würden einige junge Leute den Beruf, der am besten auf sie passe, noch gar nicht kennen, bewerben sich unter Umständen auf das Falsche und werden dann nicht genommen.

Im Handwerk verschärft sich
ein vorhandenes Problem

Daher hat die Bergische IHK in diesem Jahr ganz spontan das Bergische Azubi-Dating, das noch bis zum 21. August läuft, komplett in digitaler Form angeboten. Bislang führte das Portal im Netz zu 100 Gesprächen zwischen Bewerbern und Unternehmen über Videochat oder Telefon.

Ein guter Ansatz, aber wie Oelkers sagt „natürlich kein Ersatz für eine Präsenzveranstaltung“. Gerade auch weil sich Jugendliche manchmal nicht trauen, sich gezielt für einen Ausbildungsberuf zu bewerben, von dem sie noch zu wenig wissen. Oelkers besorgt die Entwicklung, dass es jetzt wahrscheinlich einen schwachen Azubi-Jahrgang geben wird. Er erinnert: „Der Fachkräftemangel ist ja nicht weg.“

Gerade auch im Handwerk verschärft sich damit ein vorhandenes Problem. Kreishandwerksmeister Arnd Krüger sagt: „Die jungen Leute kamen ja vor Corona schon mit einer sehr schlechten schulischen Qualifizierung zu uns. Jetzt hatten sie fünf Monate keinen Unterricht.“ Daher habe im Handwerk – wo die Auftragslage trotz Corona überwiegend sehr gut sei – das Problem des Lehrstellen- und Bewerbermangels viele Facetten.

Es gebe natürlich Unternehmen, die wegen der wirtschaftlichen Unsicherheit die Lehre reduzieren. Ein weiterer Faktor sei aber auch die Überalterung der Betriebe. „Gerade kleinere Betriebe mit älteren Inhabern ohne Nachfolger sagen sich da: Für wen bilde ich eigentlich noch aus?“ Er appelliere jedoch an die Betriebe: „Wir müssen weiter jungen Leute eine Chance geben.“

Eine Motivationsspritze kommt von der Bundesregierung. Diese will mit dem Programm „Ausbildungsplätze sichern“ in 2020 und 2021 insgesamt 500 Millionen Euro in kleine und mittlere Unternehmen investieren. Vorgesehen ist eine Förderung von Betrieben mit bis zu 249 Beschäftigten, die eine Lehre in anerkannten Ausbildungsberufen durchführen. Unternehmen, die ihr Angebot an Lehrstellen 2020 im Vergleich zu den vergangenen drei Jahren nicht reduzieren, erhalten eine Prämie von 2000 Euro für jeden neu geschlossenen Ausbildungsvertrag. Sie wird nach dem Ende der Probezeit ausgezahlt. Und: Erhöht eine Firma ihr Angebot an Lehrstellen sogar, winken 3000 Euro pro Vertrag. Die Nachfrage in Wuppertal lässt sich noch schwer einschätzen, die Förderung läuft gerade erst an.

Arbeitsagentur und IHK fordern junge Leute auf, jetzt noch aktiv zu werden. Fast 900 Ausbildungsstellen sind in Wuppertal noch unbesetzt. Oelkers sagt: „Die Welt geht auch nicht unter, wenn der Vertrag erst zum 15. August oder gar 15. September geschlossen wird.“

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