Wuppertaler Ultras im Kampf gegen das Negativ-Image
Politologe Jonas Gabler hat Ultra- Gruppierungen wissenschaftlich untersucht. Er referierte beim Fan-Projekt Wuppertal.
Wuppertal. Kapuzenpullover, Jeans und Dreitagebart — auf den ersten Blick war Diplom-Politologe Jonas Gabler kaum von den Besuchern seines Vortrages zu unterscheiden: „Die Ultras“.
In den Räumlichkeiten des Fanprojektes des WSV berichtete der 31-Jährige von Diskussionen mit mehr als 25 deutschen Ultra-Gruppen, die ihm einen tieferen Einblick in die Szene gegeben hätten. Gewalt, so sei ihm aufgefallen, sei dabei nur einer von vielen Aspekten dessen, was die Ultras in Deutschland ausmache. „Die Aggressivität, die von den Ultras ausgeht, ist alleine rituell“, sagte Gabler, und das Publikum, welches sich zum Großteil aus Mitgliedern der „Ultras Wuppertal“, UW 01 (Gründungsjahr 2001) zusammensetzte, nickte.
Worum geht es Ultras eigentlich? Mehr als 40 Besucher hatten sich im „1954“ eingefunden, um das aus Sicht eines Wissenschaftlers zu hören. Nach dem Pokalspiel Dortmund gegen Dresden waren Ultras jüngst einmal mehr ins Gerede gekommen. Zumindest lokal einige Wellen schlugen dazu Vorkommnisse mit Mitgliedern der Wuppertaler Ultra-Gruppe beim Auswärtsspiel in Trier.
Auch bezugnehmend darauf gab Gabler den anwesenden Mitgliedern von „UW 01“ zu bedenken, dass „das, was für Euch ganz selbstverständlich ist — das Grölen, Hüpfen und der sonstige Fußball-Alltag —, auf andere beängstigend wirken kann.“ Auch deshalb würden Mitglieder der Ultras von den Vereinsvorständen der Fußballligen und auch von der Polizei als Sicherheitsrisiko eingestuft.
Die Ultras selbst sehen sich nicht als Störenfriede oder Querulanten: „Die Ultras machen den Fußball attraktiv“, konstatierte auch Gabler. Mit Choreographien und Gesängen, mit Fahnen und Spruchbändern würden sie die Stimmung im Stadion anheizen. Im Falle des WSV sind sie zum Teil die Einzigen, die das tun. Gabler dazu: „Die Ultras sind eine sehr extrovertierte Fankultur, die außerdem für die Sozialisation junger Menschen eine zentrale Rolle einnehmen.“
Die von Gabler als Jugendkultur eingestufte Bewegung würde für viele ihrer heranwachsenden Mitglieder, die auf der Suche nach Orientierung sind, zu einer Art Ersatzfamilie werden — mit festen Regeln und Werten: „Nach meiner Beobachtung halten sich die Ultras an ihre eigenen Regeln.“
Die Fankurve ist für die Ultras ein Freiraum: Dort müssen sie nicht, wie im Alltag, rational sein. „Beim Fußball spielt Rationalität für mich keine Rolle. Das will ich auch nicht“, bestätigte ein 28-jähriges UW-Gründungsmitglied. Und ein anderer sagte: „Fahnenpass? (Offizielle Lizenz für das Mitbringen von Spruchbändern und Fahnen; Anm. d. Red.) — das gibt es bei mir nicht.“ Die Ultras wollen sich nicht das Recht streitig machen lassen, Fahnen mit ins Stadion zu nehmen — wie das auch in anderen Fankulturen üblich ist. Gabler stimmt zu: „Viele Repressalien können die Ultras nicht verstehen.“
Auf Kompromisse mit dem DFB wolle man sich nicht einigen, fürchte man doch englische Verhältnisse: Dort gibt es keine Stehplätze mehr, Aufstehen ist verboten, und die Karten sind für Fans mit Durchschnittseinkommen kaum erschwinglich. Das Ergebnis: Die Stimmung in den Stadien ist auf dem Nullpunkt.
Die deutschen Ultras wollen dies verhindern und pflegen daher eine kritische Distanz zu ihren Vereinen. So sind auch die Wuppertaler Ultras im Verein nicht unumstritten. Dennoch bekamen sie Rückendeckung von WSV-Trainer Bruns, der den Vorfall in Trier, als einige Ultras den WSV-Block gestürmt haben sollen, mit den Worten kommentierte: „Meine Spieler und ich haben beobachtet, dass die Aggression von der Polizei ausging.“
Bruns selbst musste sich daraufhin zum Teil sagen lassen, er würde sich mit Schlägern gemein machen. Auch das spricht für ein eher negatives Image der Ultras. Dazu erteilte Gabler noch einen gut gemeinten Rat: „Reflektiert Euer Verhalten und versucht, eine bessere Außenwirkung zu erzielen.“