Märchenhaftes Leben mit Puppen
Die Weißenborns feiern Jubiläen: Ihr Marionetten-Theaterwartet mit starkem Programm auf.
Das Bühnenbild steht, die Premiere muss noch warten, die Bühne gehört vorerst Aschenputtel und ihren märchenhaften Kollegen. Ein Märchen ist auch die Geschichte von Müllers Marionetten-Theater, findet Günther Weißenborn. Der Operndramaturg und seine Frau feiern in der Spielzeit 2017/18 gleich drei Jubiläen: 35-, 30- und 25-Jähriges. „Wir sind dankbar, dass wir das erleben dürfen und zwar in vernünftiger Weise.“ Das verlangt nach einem besonderen Spielplan, besonderen Aktivitäten und Erklärungen.
Der Anfang liegt in Bremen: Die Schweizer Puppentheaterspielerin Ursula Müller und der Göttinger Operndramaturg Günther Weißenborn finden zueinander — privat und beruflich. Am 28. Oktober 1983 gründen sie ein Kleinkunsttheater. Ihr erstes Stück: „Die Entführung aus dem Serail“. Der Weg nach Wuppertal führt über die Berufung Weißenborns an die hiesige Oper. 1987 wird Müllers Marionetten-Theater gegründet. Das wiederum ist seit dem 7. November 1992 in der Spielstätte am Neuenteich untergebracht.
Das private Theater erhält 20 000 Euro Zuschuss von der Stadt im Jahr, finanziert sich aber zum größten Teil selbst. Durch Einnahmen, Spenden und viel Hilfe. „Unser Theater wäre nicht möglich, wenn die Stadt und die Bürger uns nicht immer wieder so prima unterstützen würden“, betont Weißenborn und hebt außer der Jackstädt-Stiftung seine Vermieter Osterritter, hervor, bei denen er noch nie habe Miete zahlen müssen: „Die beiden sind die bedeutendsten Kulturmäzene der Stadt, sie reden nur nicht darüber.“
Er aber will reden — über die anstehenden Aktivitäten des Theaters. Da ist am 10. November die Premiere der „Entführung aus dem Serail“. Mozarts Singspiel schlägt die Brücke zum Anfang des Theaters und zur Gegenwart der westlichen Welt, die durch eine „Riesendiskussion geprägt ist, ob der Islam mit unserer Gesellschaft verträglich ist“. „Das können wir nicht wegdrücken, wir müssen darüber reden, etwas anderes hilft nicht“, wirbt Weißenborn. Und: „Genau das wird in dem Stück abgehandelt.“ Mozart habe gleichwohl ein heiteres Singspiel und damit hohe Kunst abgeliefert. „Das wollen wir auch, aber härter.“ Das müsse aber nicht unbedingt das Abspielen von Hinrichtungsszenen bedeuten, die dank IS und Youtube eh für jedermann zugänglich seien.
Derlei Schwierigkeiten stellen sich beim Weihnachtsstück nicht. „Aladin und die Wunderlampe“ (Hauff) spiele zwar auch im arabischen Raum, zeige aber einen „netten, romantisierenden Islam, wie ihn die Deutschen gerne hätten“. Klar, dass die Aufführung auch für Kinder (ab vier Jahren) gedacht ist. Start: 28. November.
Unbeschwerte Unterhaltung (auch für die kleinen Besucher) versprechen weiterhin die Dauerbrenner „Dschungelbuch“ und „Meerjungfrau“, „Aschenputtel“ (siehe Kasten) und „Brummel, die wilde Hummel“: Der Jazzmusiker und Freund des Hauses, Uwe Rössler, hat aus der Vorlage von Weißenborn ein Musical geschaffen, das am 3. März Premiere feiern soll. Ab April wird auch „Lukas, der Lokomotivführer“ wieder gespielt.
Im krassen Gegensatz dazu steht ein Projekt, das am 16. Februar erstmals aufgeführt werden und an die unendliche Geschichte der Kriege anknüpfen soll. Und das Herzensanliegen der Theatermacher ist, des Themas sowie der künstlerischen Herausforderung wegen. „Lysistrata“, weltbekannte Komödie des Griechen Aristophanes (411 vor Christus), erzählt die Geschichte eines Geschlechterkampfes: Um ihre Männer vom ewigen Kriegführen abzubringen und endlich Frieden zu erreichen, treten die Frauen in einen Liebesstreik. „Das Thema ist zu wichtig, um es platt und klein zu zeigen.“ Folge: Das Stück verlässt Bühne und Puppen. Die Puppenspielerin Weißenborn wird zur Malerin, die — begleitet durch einen Klangteppich aus Dialogen, Geräuschen und Musik — die Szenen des Stücks an den Wänden des Zuschauerraums illustriert.
Die Puppen stehen ab 18. Juni wieder im Mittelpunkt. Zusammen mit großformatigen Fotos werden sie in einer Ausstellung in der Stadtsparkasse gezeigt. Außerdem wird derzeit ein Buch zur Geschichte des Theaters vorbereitet und es folgt in der Spielzeit 18/19 ein zweites Puppenspielfestival. Volles Programm also — es sind ja auch drei Jubiläen.