Besteht die Gefahr, dass finanzschwache Städte wie Wuppertal in der Corona-Krise beim Land NRW in Vergessenheit geraten?
Interview „Wir müssen Szenarien für das Ende der Corona-Krise entwickeln“
Interview Der FDP-Landtagsabgeordnete Marcel Hafke fordert von der Stadtspitze ein kommunales Konjunkturprogramm unter Einbeziehung lokaler Handwerker und Unternehmen.
Marcel Hafke: Wie man am Beispiel der Erstattung der Elternbeiträge für die Kitas gesehen hat, wird jede Ebene ihren Beitrag leisten müssen. Der Bund verschuldet sich enorm, das Land NRW macht ein Drittel des Haushaltes noch einmal an Schulden oben drauf. Das ist die Grundlage dafür, dass wir den Kommunen und anderen Institutionen helfen können. Gestärkt mit dem Geld aus Düsseldorf und Berlin herauszugehen, wie Stadtkämmerer Johannes Slawig sich hat zitieren lassen, wird für Wuppertal nicht möglich sein.
Hapert es an der Kommunikation zwischen Land und Städten?
Hafke: Ich finde, es ist ein typisch Wuppertaler Problem sich zu verschanzen und zu behaupten, Bund und Land müssten die Probleme lösen, die wir in Wuppertal haben. Wuppertal wird nicht alleine aus der Krise herauskommen und braucht Unterstützung. Doch wir müssen überlegen, was können wir als Stadt selbst dazu beitragen. Wir werden als Land natürlich Kommunen unterstützen.
Wie wird das konkret geschehen?
Hafke: Die Kontrollfristen des Stärkungspakts Stadtfinanzen sollen ausgesetzt werden. Die Städte werden Schulden machen können. Der Stadtrat wird somit handlungsfähig bleiben. Der Stärkungspakt Stadtfinanzen läuft Ende des Jahres aus, da muss die Anschlussförderung geregelt sein. Die wird es auch geben. Es wäre sehr klug, wenn wir ein kommunales Investitionsprogramm vorlegen könnten.
Was sollte darin stehen?
Hafke: Davon sollten die Städte profitieren, aber vor allem auch die örtlichen Unternehmen. Beispielsweise durch Schulausbau, Straßensanierungen, Glasfaserausbau, Innenstadtsanierung. Alles, was das typische regionale Handwerk betrifft, sollten wir mit Geld aus Düsseldorf zeitnah umsetzen. Es bringt nichts, mit dem Finger auf das Land zu zeigen. Es wird in den nächsten Wochen Geld kommen, aber das muss verbaut und ausgegeben werden. Man muss sich heute Gedanken machen, welche Maßnahmen in den Jahren 2021, 2022 und 2023 vorgezogen werden können. Wie kann ich zum Beispiel das Bauvorhaben Von der Heydt-Platz beschleunigen, damit es Ende des Jahres abgeschlossen ist.
Die Verwaltung weist darauf hin, dass in der Krise die Vergaberegeln weiter gelten und das Bauen nicht schneller geht. Ist der Einwand berechtigt?
Hafke: Die Aufträge müssen so organisiert werden, dass sie an das regionale Handwerk vergeben werden. Eine europaweite Ausschreibung bringt nichts, denn aus Spanien, Italien oder Polen kommt momentan niemand. Darüber muss der Oberbürgermeister mit der Bezirksregierung sprechen. Die Bewältigung der Krise muss auf allen Ebenen als Teamleistung verstanden werden. Wir haben die Stadt runtergefahren, jetzt muss man darüber nachdenken, wie man sie wieder hochfahren kann.
Wie zum Beispiel?
Hafke: Man muss schauen, was machen andere Städte. Die Angebote, die wir im Einzelhandel noch haben, muss man vernetzen – nicht innerhalb von Wochen, sondern von Tagen. Die Botschaft lautet: Kauft lieber bei eurem lokalen Händler als bei Amazon.
Eine Aufgabe der Wirtschaftsförderung?
Hafke: Ja, die muss das organisieren und orchestrieren. Es ist aber Chefsache, in die Kommunikation und Vermarktung einzusteigen und die Wirtschaftsförderung anzuweisen, dies zu tun.
Wie kann man die Einnahmeseite der Stadt verbessern?
Hafke: Nicht nur die Stadt braucht in dieser Krise Geld, sondern auch die Unternehmen müssen liquide bleiben. Ich rate dringend in Rücksprache mit der Bezirksregierung zu prüfen, ob man Steuern nicht nur stunden, sondern im Falle der Gewerbesteuer auch senken kann, damit Liquidität in den Unternehmen vorhanden ist. Die Rettungsprogramme werden nicht ewig laufen. Für eine gewisse Zeit wäre eine Senkung sinnvoll.
Die schwarze Null ist kein Thema mehr?
Hafke: Wir schaffen im Land die Regel ab, dass ein Nothaushalt eintritt und der Stärkungspakt ausgesetzt wird. In Absprache mit der Bezirksregierung können Schulden gemacht werden, man wird es aber nicht ins Unendliche treiben dürfen.
Eine Senkung der Gewerbesteuer als Instrument der Wirtschaftsförderung?
Hafke: Leverkusen hat das schon vor der Krise gemacht. Die Gewerbesteuer ist nicht das einzige Instrument, um die schwarze Null zu schaffen. Man kann Unternehmen anwerben, das hat bisher aber mit Ausnahme der Logistikzentren von Amazon und DHL nicht stattgefunden. Man hat bisher immer nur die Steuerseite betrachtet und Personalkosten in der Verwaltung reduziert. Das ist der grobe Fehler der letzten Jahrzehnte. Wir müssen für bestehende Unternehmen Liquidität haben und für die Zeit nach der Krise eine Ansiedlungspolitik betreiben.
Warum wird bei den Kita-Beiträgen Fifty-Fifty zwischen Land und Kommunen gemacht?
Hafke: Das Land muss nicht nur für Wuppertal, sondern für 396 Kommunen die Beiträge erstatten. Alleine der Kita- und OGS-Ausfall im April kostet das Land 60 Millionen Euro. Das sind aber ursächlich kommunale Aufgaben. Da kommt das Land den Kommunen schon entgegen. Im März haben die Eltern ihren Beitrag geleistet, im April die staatlichen Einrichtungen.
Was ist mit den Altschulden?
Hafke: Der Altschuldenfonds würde alleine 25 Milliarden Euro kosten. Wir haben gerade 25 Milliarden als Rettungspaket gemacht, das Geld haben wir jetzt auch nicht mehr. Der Altschuldenfonds ist nicht das Thema der Stunde. Wir müssen uns jetzt auf die Neuausrichtung der Stadt konzentrieren, das fehlt mir bisher. Der Krisenstab macht seine Arbeit gut, aber wir müssen Szenarien für Ende April, den Sommer und Herbst entwickeln und immer wieder überprüfen, wo wir gerade in der Krise stehen. Man muss Prognosen machen, was die Kosten sind. Das erwarte ich von einem städtischen Kämmerer, damit regelmäßig nachgesteuert werden kann. Warum das mit dem Controlling in Wuppertal bisher nicht funktioniert, sieht man an dem Bereich Kultur. Man muss wissen, wo stehen wir mit den Finanzen. Sonst kann ich mit dem Land nicht verhandeln. Die Diskussion über Strukturveränderungen und eine Neuaufstellung des Föderalismus zu führen, bringt uns zum jetzigen Zeitpunkt nicht weiter. Sie muss nach der Krise geführt werden.