Erwerbslosenquote Arbeitsmarkt-Statistik: Wuppertal ist trauriger Spitzenreiter
Wuppertal · Nirgendwo in Deutschland sind mehr Menschen in Beschäftigungs-Maßnahmen. Das ist gut und schlecht zugleich.
Die Bundesagentur für Arbeit meldet für Wuppertal eine Erwerbslosenquote von 8,4 Prozent. Der Wert ist gesunken, nicht dramatisch, sondern nur um ein Zehntel Prozentpunkte. Also kaum der Rede wert? Doch, sagt der Leiter der Wuppertaler Arbeitsagentur, Martin Klebe. Er wolle keine Panik schüren oder Wuppertal schlecht reden. Aber die Quote sei in Wuppertal irreführend wie sonst nirgendwo in Deutschland. Sie gebe nicht wieder, wie es in der Wuppertaler Arbeitswelt wirklich aussieht. „Ich sehe es als meine Aufgabe an, auf so etwas hinzuweisen“, sagt Klebe. Er spreche darüber regelmäßig auch mit den Landtagsabgeordneten und mit dem Oberbürgermeister.
Dazu hat der Chef der Arbeitsagentur allen Grund. Denn in Wirklichkeit ist die Lage ernst. Eine Erwerbslosenquote von 8,4 Prozent klingt für eine Stadt im ständigen Strukturwandel fast noch gut. Aber die Wahrheit ist dramatisch. Den etwa 10 000 Erwerbslosen stehen nämlich ebenso viele Menschen gegenüber, die vom Jobcenter in Aus- und Weiterbildung oder andere Maßnahmen geschickt worden sind. Kein Jobcenter in Deutschland kommt an diese Zahl heran. Das ist ein sehr guter Wert auf der einen Seite und ein sehr schlechter auf der anderen. „Wir haben 30 Prozent der erwerbsfähigen Leistungsbezieher in Maßnahmen“, sagt der Chef des Wuppertaler Jobcenters, Thomas Lenz. Er ist stolz auf diesen Wert. Schließlich sieht er genau das als eine der Hauptaufgaben seines Hauses an.
Zuschüsse in Höhe von
40 Millionen Euro im Jahr
„Die meisten Jobcenter in Deutschland liegen in diesem Vergleich bei acht bis neun Prozent. Das heißt, dass 90 Prozent der in Frage kommenden Menschen dort kein Angebot gemacht wird.“ Das wollen Lenz und seine Mitarbeiter nicht. Grundsätzlich besagt die Zielvereinbarung mit der Stadt Wuppertal, dass die Mittel vom Bund für Fortbildung von Erwerbslosen zu 100 Prozent für diesen Zweck ausgegeben werden. „Daran halten wir uns“, sagt Lenz. Er spricht von Zuschüssen in Höhe von 40 Millionen Euro im Jahr.
Die Kehrseite dieser Medaille ist, dass immer noch und immer schon viel zu viele Fortbildungen ins Nichts führten. Es gibt zwar regelmäßig Erfolge im Übergang in den 1. Arbeitsmarkt, aber es sind bei weitem noch nicht genug. Das weiß auch Thomas Lenz. Dass den betreffenden Wuppertalern dennoch weiter Bildungs- und Fortbildungsangebote gemacht werden müssen, steht für ihn außer Frage.
Das sieht auch Martin Klebe nicht anders. Doch glücklich ist der Leiter der Wuppertaler Arbeitsagentur mit dem Engagement des Jobcenters nicht uneingeschränkt. Denn die überdurchschnittlich gute Leistung des Jobcenters übertüncht die eigentlich schlechte Lage am Arbeitsmarkt, färbt sie deutlich schöner als sie ist. Wuppertal hinkt im Vergleich nicht nur Solingen und Remscheid hinterher. Was die sogenannte Unterbeschäftigung angeht, also Arbeit jenseits des 1. Arbeitsmarktes, liegt Wuppertal mit seiner Quote von derzeit 15,4 Prozent deutschlandweit auf Platz drei. Nur Bremerhaven und Gelsenkirchen sehen schlechter aus. Das ist nichts, was Klebe gefällt, und Lenz sieht das nicht anders. „Die reine Arbeitslosenquote gibt die Lage überhaupt nicht wieder“, kritisieren beide.
Schlimmer wird es in
der Langzeitbetrachtung
Das ist so schon schlimm genug. Noch schlimmer wird es in der Langzeitbetrachtung. Demnach hat sich im Verlauf der vergangenen zehn Jahre in Wuppertal auf dem Arbeotsmarkt im Grunde nichts zum Besseren gewendet. Zwar ist die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Arbeitsstellen auf jetzt gut 125 000 gestiegen, aber die Bevölkerungszahl wuchs mit. Und die Qualität der neuen Arbeitsplätze ist eine, die anscheinend mehr den Zuwanderern vor allem aus dem EU-Ausland entgegenkommt.
Und dann auch noch die Digitalisierung. Derentwegen sieht Lenz weitere Schwierigkeiten auf Wuppertal zukommen. Seine Kunden gehören nicht zu den gut ausgebildeten. Gleichzeitig sinkt die Zahl der Arbeitsplätze, für die geringere Qualifikationen ausreichen. Diesen Trend, da ist sich Lenz sicher, wird die Digitalisierung noch verstärken. „Wir brauchen mehr Arbeitsplätze, auch für geringer Qualifizierte“, fordert Klebe.
Deshalb vermisst er eine Initiative von Stadt, Wirtschaftsförderung und Verbänden. „In Dortmund habe ich mehr Kooperation festgestellt“, erinnert er sich und weist auf die tendenziell deutlich bessere Entwicklung der Ruhrgebietsmetropole hin. Es gab Zeiten, in denen Wuppertal vor Dortmund rangierte.